Homepage: Karsten Schuldt - Bibliothekswissenschaft - Aktuelle Anforderungen an Schulbibliotheken
Inhalt
0. Einleitung
1. Status quo
1.1 Begriffsbestimmungen
1.2 Zur Situation
1.2.1 Anzahl, Ausstattung und bibliothekarische Unterstützung
1.2.1.1 Infrastruktur in Deutschland
1.2.1.2 Berlin als Beispiel
1.2.2 Das PISA-Argument und die internationale Situation von Schulbibliotheken
1.2.2.1 Die PISA-Studien
1.2.2.2 Diskussionen um Schulbibliotheken im Zusammenhang mit den PISA-Studien
1.2.3 Ansätze von Kommunikation und Forschung
1.2.3.1 Schulbibliothek aktuell, schulmediothek.de und weitere Publikationen im Bereich Schulbibliotheken
1.2.3.2 Landesarbeitsgemeinschaften
1.2.3.3 Forschungsstand
1.3 Rechtliche Lage
2. Ansprüche unterschiedlicher Gruppen
2.1 Bibliothekarische Ansprüche
2.1.1 Informationskompetenz
2.1.2 Erziehung zukünftiger Nutzerinnen und Nutzer
2.1.3 Architektur und Infrastruktur
2.1.4 Einbindung in die Pädagogik
2.1.5 Desiderate
2.1.5.1 Library Skills
2.1.5.2 Gesicherte Stellung
2.2 Pädagogische Ansprüche
2.2.1 Lesekompetenz und Literacy
2.2.1.1 Leseförderung im alltäglichen Betrieb
2.2.1.2 Leseförderung mittels Projekten
2.2.2 Flexibilisierung des Unterrichts
2.2.3 Zensurenfreier Lernraum
2.2.3.1 Lernen wissenschaftlicher Arbeitsweisen
2.2.3.2 Die Schulbibliothek als sozialpädagogischer Raum
2.2.4 Desiderate
2.2.4.1 Unterricht von Nicht-Sprachenfächern mithilfe der Schulbibliothek
2.2.4.2 Unterstützung der Lehrenden
2.3 Lernende und Eltern
2.3.1 Modelle der Befragung, Partizipation und Analyse
2.3.2 Arbeitsmarkteinstieg und alltagspraktische Hilfe
2.4 Politik
2.4.1 Zukunftsfähigkeit und internationaler Wettbewerb
2.4.2 Demokratische Teilhabe, freie Meinungsäußerung und Informationskompetenz
2.4.3 Integration, nationales Selbstverständnis und ethnische Selbstständigkeit
3. Differenzen zwischen einzelnen Ansprüchen und das Verhältnis von Anspruch und Praxis in der schulbibliothekarischen Arbeit - Zusammenfassung und Verortung der Ergebnisse
3.1 Differenzen zwischen den Ansprüchen einzelner Gruppen
3.2 Bildung und Kompetenzen: Differente Subjektparadigmen
3.3 Differenzen zwischen den Ansprüchen an Schulbibliotheken und der schulbibliothekarischen Realität
3.4 Fazit
4. Aussichten und Anwendungsmöglichkeiten
4.1 Ansätze zum Ausgleich der Ansprüche
4.2 Notwendige Vorraussetzungen zur Erfüllung der Ansprüche
4.3 Exkurs: Verstärkte Zusammenarbeit von Schule und Bibliothek, veränderte Aufgaben der schulbibliothekarischen Arbeitsstellen: ein deutscher Sonderweg?
4.4 Mögliche Konsequenzen für die schulbibliothekarische Arbeit
4.5 Forschungsperspektiven
4.5.1 Offene Fragen
4.5.2 Forschungsansätze

Anhang A Methodik und Auswertung der Schulbibliotheksbesuche
Anhang B Nachweise und Auswertung der Schulbibliothekssysteme der PISA-Teilnahmestaaten
Anhang C Schulen mit Schulbibliotheken und deren soziale Lage

Literatur zu Schulbibliotheken und der Zusammenarbeit von Schule und Bibliothek in Deutschland
Literatur zu Schulbibliotheken international
Sonstige Literatur

Tabelle 1 Forderung Medieneinheiten pro Schülerin / Schüler
Tabelle 2 Unterstützende Institutionen für Schulbibliotheken in deutschen Bundesländern
Tabelle 3 Berliner Bezirke und Bibliothekssysteme
Tabelle 4 Schulen und Schulbibliotheken in Berlin
Tabelle 5 PISA-Ergebnisse und Schulbibliothekssysteme
Tabelle 6 Zusammenfassung der Anforderungen an Schulbibliotheken

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2. Ansprüche unterschiedlicher Gruppen

Es existiert, wie im letzten Abschnitt gezeigt wurde, kein Schulbibliothekssystem in Deutschland. Es bestehen ebensowenig Konzepte oder Planungen, ein solches aufzubauen. Außerdem hat der Aufweis dieser Situation einen weiteren markanten Schwachpunkt offenbart: während in dem als Beispiel benutzten Bundesland Berlin eine Anzahl von Schulbibliotheken existiert, die ohne bibliothekarische Unterstützung auskommt, werden diese Einrichtungen in der Literatur über Schulbibliotheken praktisch nicht thematisiert. Das bedeutet, dass eine Übersicht, welche allein von der vorhandenen Literatur über Schulbibliotheken ausgeht, ein signifikant anderes Bild zeichnen könnte, als in der Realität vorhanden ist. Dieser Widerspruch ist zu klären, um mit der realen Lage argumentieren zu können. Eine realistische Darstellung des schulbibliothekarischen Zustands würde sowohl die politische, als auch die wissenschaftliche Diskussion über Schulbibliotheken stärker an der existierenden Ausgangslage orientieren.

Im Folgenden kann es allerdings nicht darum gegen, diese Lücke zu schließen. Diese Aufgabe ist zum einen zu umfangreich. Zum anderen sollte sie nicht monodisziplinär erfolgen, wie dies bisher offenbar bevorzugt versucht wurde. Schulbibliotheken sind durch ihre Position im Bildungsprozess multi- und interdisziplinär, [97] insoweit sollte eine Positionsbestimmung aus dem Blickwinkel verschiedener Disziplinen erfolgen. In dieser Arbeit kann die Grundthese überprüft werden, dass es unterschiedliche Gruppen gäbe, die mit differenten Ansprüchen an Schulbibliotheken herantreten und sie deshalb anders wahrnehmen würden. Dazu werden die eruierten Ansprüche systematisiert und folgenden vier Gruppen zugeordnet, welche sich im Laufe der Untersuchung als relevant erwiesen haben:

  • Bibliothekarinnen und Bibliothekare. Diese sehen die Schulbibliotheken vorrangig als Spezialbibliotheken an und erheben oft den Anspruch, die Aufgaben dieser Institutionen definieren zu können.
  • Lehrende. Innerhalb der Schulen werden von diesen Schulbibliotheken als ein möglicher Ort der Lehre wahrgenommen und deshalb weniger nach bibliothekarischen Grundlagen gestaltet. Dabei sind es gerade Lehrende, welche den Betrieb von Schulbibliotheken ermöglichen und aufrechterhalten.
  • Lernende und Eltern. In dieser Fraktion sind zwei Teilgruppen zusammengefasst, welche die häufigsten und unterschiedlichsten Ansprüche an Schulbibliotheken stellen müssten. Dies ist zumindest wegen der Größe der Gruppen und der Vielfältigkeit ihrer Interessen anzunehmen. Letztlich werden Schulbibliotheken immer für Lernende betrieben. Ihre Eltern sollten, nach ihnen selber, das größte Interesse an deren Lernerfolg und persönlicher Entwicklung haben. Dennoch kommen diese beiden Gruppen so gut wie nie in Publikationen über Schulbibliotheken vor. Ausgehend von der Basis der Texte erscheinen sie nahezu irrelevant. Deshalb werden sie hier als eine Gruppe behandelt.
  • Politik. Trägerinnen und Träger politischer Entscheidungen stellen kaum direkte Anforderungen an Schulbibliotheken. Dies mag in der relativen Unbekanntheit dieser Einrichtungen und deren Möglichkeiten begründet sein. Trotzdem lässt sich eine Anzahl von Forderungen, welche an Bildung und Schulen gestellt werden, eventuell auf Schulbibliotheken übertragen. Dies wird vor allem deutlich, wenn sich die in Deutschland in politischen Wortmeldungen geäußerten Ansprüche an Schulen in Konzepten von Schulbibliotheken anderer Länder wieder finden lassen.

Die hier vorgelegte Systematisierung kann zu neuen Forschungsfragen und -perspektiven führen. Die Sichtbarmachung differenter Auffassungen von Schulbibliotheken vermag zu einer genaueren Analyse der Prozesse befähigen, welche bisher den Aufbau von Schulbibliothekssystemen verhinderten. Unter Umständen ergibt sich die Feststellung, dass es sich letztlich bei den Diskussionen um verschiedene Konzepte handelt, welche unter dem gleichen Begriff verhandelt werden. Das könnte bildungs- und bibliothekspolitisch zu genaueren Aussagen und Vorstellungen führen, als die bisher relativ offen und unkonkret gehaltenen Wünsche und Versprechungen, welche die Debatte dominieren.

Zwei mögliche Gruppen wurden in dieser Untersuchung außen vor gelassen. Dies ist zum einen die Wirtschaft. Sicher ließen sich, analog zur Politik, Anforderungen von Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft an das deutsche Bildungswesen finden, welche für Schulbibliotheken übersetzt werden können. Allerdings sind diese Ansprüche in einem viel engeren Rahmen verortet, als dies im politischen Bereich der Fall ist, so dass sich die Frage nach der Relevanz stellen würde. Zudem, und dieser Aspekt wiegt bei ihrem Ausschluss schwerer, hat die Wirtschaft keinen direkten Zugriff auf das Bildungswesen. Während die Politik Träger der Bildungseinrichtungen in Deutschland ist, unterhält die Wirtschaft – mit Ausnahmen im Bereich der akademischen Bildung – keine eigenen Einrichtungen und hätte sich selbst in solchen Fällen, wie allen anderen Schulen, den Vorgaben der Politik unterzuordnen. [98]

Die zweite ausgeschlossene Gruppe ist die Wissenschaft. Schulbibliotheken könnten für verschiedene Disziplinen ein Forschungsfeld darstellen. Fakt ist allerdings, dass sie es in Deutschland nicht sind. Es lassen sich weder Forschungstrends, noch aktuelle Untersuchungsfragen an diese Institution finden. Es sind auf dieser Basis noch nicht einmal Spekulationen über denkbare Forschungsinteressen möglich.

2.1 Bibliothekarische Ansprüche

2.1.1 Informationskompetenz

Bibliotheken haben heute nicht mehr nur die Aufgabe, Literatur in gedruckter Form zur Verfügung zu stellen. Es ist zwar umstritten, wie weit und wie tief die Einbeziehung von nicht gedruckten Medien in Bibliotheken geschehen soll. Ebenso ist der Zweck einer Integration von Non-Book-Medien in den Bestand von Bibliotheken Gegenstand vielfältiger bibliothekarischer Diskussionen. Fakt ist dennoch, dass eine solche Integration, dem überwiegenden Teil der geäußerten Konzepte folgend, stattfinden muss. Dies bezieht sich nicht nur auf Ton-Träger und Spiele. Gemeint ist die gesamte Palette existierender Medien.

Es geht dabei nicht nur um eine Vergrößerung oder Erhöhung der Vielfalt von Beständen. Als wichtig wird ebenfalls deren Beherrschung angesehen. Das Wachstum der Angebotspalette hat zu einer Neubewertung der Aufgaben von Bibliotheken geführt. [99] Für Schulbibliotheken ist aus diesen Debatten vor allem die Fokussierung auf Kompetenzen relevant. Primäre Aufgabe ist demnach nicht, Kindern und Jugendlichen ein umfassendes Wissen nahe zu bringen, sondern ihnen die Fähigkeiten und das Selbstvertrauen zu geben, um mit der Vielzahl der heute verfügbaren Medien umgehen zu können. Diese Fähigkeiten, unter den Begriffen Medien- und Informationskompetenz zusammengefasst, sollen es den Lernenden ermöglichen, für ihre jeweiligen Aufgaben die Medien auszuwählen, mit deren Hilfe sie diese lösen können.

Zu dieser Kompetenzgruppe gehört das Erkennen des eigenen Bedarfs an Informationen, das Auswählen von Medien und Suchstrategien, um diesen Bedarf zu befriedigen, die Fähigkeiten, die ausgewählten Medien zu nutzen sowie die gefundenen Informationen so zu interpretieren und zu manipulieren, dass sie die jeweils gestellten Fragen beantworten. [100]

Schulbibliotheken, so einige Äußerungen, seien ein Ort um diese Kompetenzen zu erlernen und zu trainieren. Aus dieser Vorstellung ergeben sich mehrere Forderungen. Die Bibliothek soll als Informationszentrum ausgebaut werden. [101] Dies bedeutet sowohl einen Bestand aufzubauen, welcher unterschiedliche Medien bereithält, als auch die Möglichkeiten zu schaffen, diese Medien zu nutzen. Insoweit ist mit dieser Forderung die Anschaffung und Wartung einer Vielzahl von Abspielgeräten impliziert. Zudem muss das Personal der Bibliothek selber kompetent mit den Medien umgehen können und sich in diesem Bereich fortbilden.

Bahler et al. (1999) erweitern diese Forderung um die Vorstellung, dass Schulbibliotheken nicht nur als Institution funktionieren, welche Informationen anbietet. Zusätzlich würde die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler sowie deren Kreativität im Umgang mit Medien gefördert. Außerdem sehen sie eine Aufgabe funktionierender Schulbibliotheken in der Integration neuer Medien in den Unterricht.

Eine solche Einrichtung könnte dazu beitragen, die Trennung von Schule und Freizeit zu überwinden. Die von Bahler et al. (1999) geäußerte Annahme lautet, dass Lernende bei der Anwendung von Informationskompetenzen in der Freizeit diese in der Auseinandersetzung mit ihren eigenen Interessen erlernen würden und gleichzeitig diese Fähigkeiten, welche sie sich – zum Beispiel beim Umgang mit dem Internet oder Datenbankangeboten – außerhalb der Schule angeeignet haben, über die Informationssuche in der Schulbibliothek in den Unterricht einbringen können. Bisher, so die These, würden solche Fähigkeiten im Unterricht nicht genutzt. [102]

Bereichert durch die Aufgabe Informationskompetenzen zu vermitteln, würde die Schulbibliothek für alle Fächer nutzbar. Das sie nicht nur für den Sprachenunterricht benutzt werden sollte, ist zwar eine ältere Forderung, doch Bahler et al. vermitteln den Eindruck mit dieser Aufgabe eine Basis gefunden zu haben, mit der sie Lehrenden aller Fächer die Notwendigkeit einer Bibliothek verständlich machen könnten.

Eine solche Einrichtung würde zugleich an die Realität der Kinder und Jugendlichen anschließen, welche heutzutage vor allem den Umgang mit einem Medienverbund meistern müssten, während sie in der Schule vor allem den Umgang mit Büchern erlernen würden. Heidtmann (2003) plädiert deshalb dafür, die Ausbildung der Schülerinnen und Schüler in einem ähnlichen Medienverbund vorzunehmen, wie diese ihn außerhalb der Schule vorfinden.

Cron (2003) betont, dass dies nicht nur eine politische Forderung, sondern eine pädagogische Notwendigkeit darstelle. Die Vielzahl der Medien würde Unterrichtskonzeptionen, welche von einer kontrollierten Informationszuteilung durch die Lehrenden ausgehe, vollkommen obsolet werden lassen. Es gehe nicht mehr nur darum Wissen zu vermitteln und zu vertiefen, sondern darum die selbstständige Generierung von Wissen durch Schülerinnen und Schüler anzuregen, zu unterstützen und dieses Wissen im Unterricht zu nutzen. Deshalb müssten Schulbibliotheken als Zentren zur Vermittlung von Informationskompetenz ausgebaut werden. [103]

Eine besondere Rolle spielt in dieser Diskussion das Internet. Es herrscht allgemein die Vorstellung, dass jede Schulbibliothek mit Internetzugängen ausgestattet sein müsse. Dieses wird heute als eine der wichtigsten Informationsquellen angesehen. Der Umgang mit ihm könne vor allem in der Bibliothek erlernt werden und sinnvoll dort, im Medienmix, erfolgen. Andererseits scheint noch vollkommen unklar, was das bedeutet. Bisher gibt es nur die Forderung Bibliotheken mit Internet-Anschlüssen auszustatten. [104] Wie Schülerinnen und Schüler im Umgang mit dem Internet geschult werden sollen, von wem und wie eventuell eine Unterstützung ihrer Netzaktivitäten aussehen könnte, ist vollkommen undiskutiert. [105]

Diese Situation birgt eine Gefahr, welche zum Beispiel aus einem Teilergebnis der PISA-Studien – auch wenn diese mit den im vorherigen Teil dieser Arbeit benannten Einschränkungen gelesen werden – ersichtlich wird. Es wurde dort festgehalten, dass die unbetreute Bereitstellung von Rechnern nicht zur allgemeinen Erhöhung der Kompetenzen im Umgang mit Computern geführt hat, sondern zum Anwachsen der Differenzen zwischen Lernenden mit hohen Computerkompetenzen und solchen mit schlechten. [106] Offenbar nutzen Schülerinnen und Schüler, deren technische Ausstattung im Elternhaus gering ist, ebenso in der Schule bereitgestellte Computer seltener als solche deren Ausstattung zuhause besser ist. [107] Dieses, an sich vorauszusehende Problem, wird in den Texten zu Schulbibliotheken nicht angesprochen. [108]

Außerdem steht diesem Anspruch offenbar die Realität in den Schulen gegenüber. Selbst in Einrichtungen, die mit einer eigenen Bibliothek ausgestattet sind, existieren neben dieser zumeist eigenständige Computerräume zur freien Benutzung durch die Lernenden, in welchen sich zum Teil eigenständige Arbeitsgemeinschaften um die Vermittlung von Kompetenzen kümmern. In den in Tabelle 2 aufgeführten 55 Schulbibliotheken, die in Berlin gefunden wurden, fanden sich nur zehn, welche die Möglichkeit in der Schulbibliothek Computer mit Internetzugang zu nutzen, thematisieren.

Weiter steht diesem Anspruch der Fakt gegenüber, dass keine einzige der in Berlin vorgefundenen Schulbibliotheken über eine eigenständige Homepage verfügt. Selter (2001) hatte gerade solche Seiten als eine Möglichkeit benannt, nicht nur Informationen über die Schulbibliothek selber bekannt zu machen, sondern ein Informationsangebot aufzubauen, mit der die Informationskompetenz von Schülerinnen und Schüler unterstützt werden könnte. Eine solche Website würde, so seine These, als idealer Raum für Informationen über das Internet wahrgenommen. Hinweise wären dort mediengerecht aufbereitet und zudem einfach zu handhaben. Er gibt einige Hinweise zum Aufbau solcher Seiten. Hunsinger (2005) konnte für North Carolina eine Übersicht von Angeboten auf Schulbibliothekswebsites erstellen. Dabei fand sie – obwohl sie das Ergebnis nicht zufrieden stellte – eine Reihe von Angeboten, die ebenso deutsche Schulbibliotheken anbieten könnten. Neben allgemeinen Informationen (Personal, Öffnungszeiten, Benutzungsordnungen, OPAC) waren dies Links zu Buchclubs, Übersichten zu Neuerwerbungen, Rezensionen als Angebote der Leseförderung, zumeist kommentierte Verweise zu Suchmaschinen, Datenbanken, Einführungen in wissenschaftliches Arbeiten und Zitationsweisen sowie explizit auf einzelne Schulklassen oder das Unterrichtsprogramm ausgerichtete Angebote, Verweise zu Angeboten für Eltern, Lehrende oder zu Öffentlichen Bibliotheken.

Die Homepage einer Schulbibliothek, so sowohl die Vorstellung von Selter (2001) als auch Hunsinger (2005) und besonders von Fox (2004), kann die Grundlage zu einer Vermittlung von Kompetenzen sein, die bei der Benutzung der Internets benötigt werden. Eine Forderung an Schulbibliotheken, welche sich aus der Vorstellung von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren vom Lernraum für Informationskompetenz ergeben könnte, wäre die, solche Seiten entwerfen und kompetent betreuen zu können. [109]

2.1.2 Erziehung zukünftiger Nutzerinnen und Nutzer

Eine Schulbibliothek wird häufig als eine Übergangsinstitution zwischen der Schule auf der einen, Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken auf der anderen Seite verstanden. Die Schülerinnen und Schüler würden in ihren schuleigenen Einrichtungen den Umgang mit allen anderen Bibliotheken und die Nutzung der verschiedenen bibliothekarischen Angebote und Bestände erlernen. Neumann (1989) nennt als ein wichtiges Ziel ihres bibliothekspädagogischen Konzeptes, dass die Lernenden nach Abschluss der Schullaufbahn weitere Bibliotheken nutzen würden. Zu diesem Zweck sollen die Schulbibliotheken kleine, dennoch möglichst vollständige und funktionstüchtige Bibliotheken darstellen. Sie müssten demnach bibliothekarischen Standards genügen.

Das Deutsche Bibliotheksinstitut (1992) sah eine Hauptaufgabe schulbibliothekarischer Arbeitstellen darin, zentrale Leistung zu erbringen, damit in den individuellen Bibliotheken die notwendigen Standards eingehalten werden könnten. [110]

Trotzdem die geforderten Standards nicht genau benannt werden, lassen sie sich aus der Literatur erschließen. Ein Großteil der Texte geht davon aus, dass der Bestand jeder Schulbibliothek in der gleichen Weise zu erschließen sei, wie der Bestand einer Öffentlichen Bibliothek. Dies bedeutet zum ersten das Führen eines oder mehrerer Kataloge, wobei heutzutage von einem OPAC ausgegangen wird. Bis in die Mitte der 1990er Jahre wurden Zettel- und elektronische Kataloge alternativ aufgezählt. Bei Möglichkeit sollte hierbei den elektronischen der Vorrang gegeben werden. Zum zweiten sollte die Aufstellung der Medien den Aufstellungen in größeren Bibliotheken zumindest ähneln. Hinter dieser Forderung steht die Vorstellung, dass Schülerinnen und Schüler in der jeweiligen Schulbibliothek den Umgang mit Katalogen und das Finden von Medien mithilfe bibliothekarischer Verweise üben und diese Fähigkeiten anschließend in den nächstgrößeren Einrichtungen anwenden könnten.

Das Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, München (1996), verweist auf den bayerischen Lehrplan, welcher als ein Lernziel der Schulen das Zurechtfinden in Bibliotheken vorsieht und benennt dafür Schulbibliotheken als herausragenden Lernort.

In den USA ist dieser Gedanke in den Bibliotheksaufbau und die Schulbibliothekspädagogik eingeflossen. Es existieren zahlreiche Einführungen für Schulbibliotheken, die mit Geschichten über die Formulierung der Deweyschen Dezimalklassifikation (DDC) beginnen. Die Verbreitung dieser Klassifikation ist in den US-amerikanischen Öffentlichen Bibliotheken nahezu uneingeschränkt. Insoweit ermöglicht das Erlernen dieser Systematik tatsächlich das problemlose Zurechtfinden in den meisten weitergehenden Einrichtungen. Eine ähnlich dominierende Systematik hat sich in Deutschland nicht durchsetzen können. [111] Vielmehr agieren die unterschiedlichen Bibliotheksverbünde mit unterschiedlichen Klassifikationen, welche zudem in einzelnen Bibliotheken in teilweise relativ eigenständigen Hausversionen benutzt werden. In den Publikationen, die sich zu diesem Thema äußern, wird deshalb für Schulbibliotheken dafür plädiert, die Systematik und Aufstellung der jeweils nächstliegenden Öffentlichen Bibliothek zu nutzen. Die Schülerinnen und Schüler würden auf diese Weise ermächtigt, sich den Umgang mit einer Systematik anzueignen und diesen in ihren Alltag zu integrieren. Erst anschließend, durch die Benutzung anderer Bibliotheken, sollten sie den Umgang mit weiteren Systematiken erlernen.

Die Praxis sieht zumeist anders aus. So wird in einigen Schulbibliotheken nicht dieselbe, sondern eine stark vereinfachte Version der Klassifikation der ortsansässigen Öffentlichen Bibliothek verwendet. Dies hat seinen Grund im signifikant kleineren Bestand, welcher eine allzu differenzierte Systematik unnötig macht und in der zu geringen Arbeitszeit des schulbibliothekarischen Personals. Die meisten Schulbibliotheken orientieren allerdings sowohl die Systematik, die Aufstellung als auch die wenigen Kataloge am Bestand selber oder aber an den potentiellen Nachfragen der Lernenden. [112] Oft stehen gar keine Kataloge zur Verfügung. [113] Dies führt zu jeweils eigenständigen Lösungen, welche zwar die Nutzung des Bestandes ermöglichen, anderseits Probleme aufwerfen, deren sich das Personal – welches zumeist keine bibliothekarisch Ausbildung genossen hat – nicht sichtbar bewusst ist. Neben der oft mangelnden Konsistenz dieser Lösungen ist vor allem eine Einbindung in die oder Abgleichung des Bestandes mit den Öffentlichen Bibliothekssystemen nicht möglich. Es ist außerdem vorherzusehen, dass die Lösungen bei einem Wachstum des Bestandes oder einen Änderung der inhaltlichen Ausrichtung schnell unbrauchbar werden können. Es stehen in diesem Fall der bibliothekarische Anspruch gegen die pädagogisch geprägte Praxis, welche für sich in Anspruch nehmen kann, vorübergehend erfolgreicher, den Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer angemessener und in der kurzfristigen Perspektive mit weniger Aufwand verbunden zu sein.

Eine weitere, eher indirekt erhobene Forderung von bibliothekarischer Seite ist ein geregelter Bestandsaufbau. Eine Einrichtung, so die Vorstellung, kann nicht als Lehrraum für die Arbeit in Bibliotheken dienen, wenn dort nicht aktuelle und für die betreffenden Fachgebiete ausgewählte Literatur vorhanden ist. Faktisch ist der Bestand der meisten Schulbibliotheken zu einem großen Teil zufällig als Spenden erworben. Dabei gibt es offenbar eindeutige Präferenzen für Belletristik.

Dagegen würde – so die bibliothekarische Vorstellung – eine erfolgreiche Schulbibliothek mehr als 50% Sachliteratur benötigen sowie eine relativ große Anzahl von Nachschlagewerken. [114] Eine solche Ausstattung würde nicht nur ermöglichen, dass Schulbibliotheken für alle Unterrichtsfächer genutzt würden. Sie soll Schülerinnen und Schülern außerdem erlauben, Bibliotheken als Orte wahrzunehmen, die über das Freizeitinteresse hinaus zur Lösung unterschiedlicher Aufgaben benutzt werden können.

In der älteren Literatur wurden zum einen aus den englischsprachigen Staaten Verordnungen und Vorstellungen zitiert, die von einem regelmäßigen Austausch des Bestandes von je 10% pro Jahr ausgehen. Eine Bibliothek mit veraltetem Bestand, so die Vorstellung, würde unattraktiv und für viele Themen unbrauchbar. Dieser bibliothekarische Standard ist offensichtlich in den letzten Jahren, wohl in Auseinandersetzung mit der desolaten Realität sowohl in den Schulbibliotheken, als auch in vielen Öffentlichen Bibliotheken und dem Bildungssystem in Deutschland, fallen gelassen worden. Welche Auswirkungen dies für die schulbibliothekarische Praxis hat, wird bisher nicht diskutiert. Es fanden sich kaum Publikationen, welche die Vorgänge der Bestandserneuerung, der Aussonderung oder des gezielten Bestandsaufbaues thematisierten.

Zum anderen wurden vor einigen Jahrzehnten laufend gehaltene Zeitungen und Zeitschriften als wichtiges Merkmal von Schulbibliotheken angesehen. Diese würden erstens zur Aktualität der Einrichtungen beitragen, zweitens für Kinder und Jugendliche ein relativ großes Themenspektrum anbieten, welchen sie sich bei der Benutzung einer Bibliothek zuwenden könnten und drittens zur Attraktivität der Bibliotheken beitragen. Letztlich würde durch das Vorhandensein einer solchen Medienart klar werden, dass Bibliotheken insgesamt mehr anbieten als nur Bücher. Auch diese Forderung ist in den letzten Jahren nicht mehr erhoben worden. Dies mag zwei Gründe haben. Es scheint immer aussichtsloser für Bibliotheken in Schulen einen eigenständigen und gesicherten Etat zu erlangen, welcher für laufende Abonnements notwendig wäre. Überdies scheint heute die Rolle des innovativen, vielseitigen und attraktiven Mediums durch das Internet besetzt. Freilich ist dieses, zumindest bisher, nicht bibliothekarisch erfasst.

Eine weitere Forderung, die sich aus der Vorstellung ergibt, dass Lernende als zukünftige Nutzerinnen und Nutzer ausgebildet werden sollen, ist der Anspruch, dass schulbibliothekarisches Personal Bibliothekseinführungen organisieren sollte. Dazu müssten einerseits beim Personal selber Kenntnisse über die Möglichkeiten von Bibliotheken vorhanden sein, andererseits müssten Lehrende bereit sein, diese Einführungen zu unterstützen. Solche Präsentationen seien für die meisten Kinder und Jugendliche der erste Zugang zu Bibliotheken. Aus diesem Grund wird ihnen eine große Bedeutung beigemessen, welche hingegen wenig mit der relativ unkonkreten Thematisierung dieser Vorgänge in der Literatur korrespondiert. [115]

2.1.3 Architektur und Infrastruktur

Eine funktionstüchtige Schulbibliothek muss bestimmten architektonischen Ansprüchen genügen. Dabei lassen sich diese Ansprüche wiederum zweckmäßig gliedern und teilweise genaueren Vorstellungen von Funktionsmöglichkeiten der Bibliotheken zuweisen.

Einrichtungen, die einen wichtigen Beitrag im Schulalltag spielen sollen, müssen zentral zu erreichen sein. Die bibliothekarische Forderung lautet deshalb architektonische Lösungen zu schaffen, welche Schulbibliotheken als einen zentralen Ort der Schulen etablieren. Diese sollen einfach zu erreichen sein, eine prominente Lage aufweisen, die im und außerhalb des Unterrichts zur Nutzung ermutigen könnte und durch ihre bloße Existenz öffentlichkeitswirksam funktionieren würde. Bei solchen Vorstellungen spielen zumeist Lösungen, wie sie aus skandinavischen oder US-amerikanischen Schulen berichtet werden eine Rolle. Dort seien Schulbibliotheken so in den Gebäuden untergebracht, dass sie zumindest beim Betreten der Schulen nicht zu übersehen sind. Dabei lässt sich oft aus der Unterbringung einer Institution in einem größeren öffentlichen Gebäude tatsächlich eine Aussage über deren Bedeutung treffen. [116] Die Unterbringung deutscher Schulbibliotheken in Kellerräumen oder abgelegenen Winkel der jeweiligen Gebäude ist deshalb bedeutsam. [117] Die Forderung nach einer zentraleren Lage ist somit zugleich als Forderung nach einer zentralen Stellung der Bibliotheken im Schulalltag zu sehen.

Eine weitere Forderung an die Lage von Bibliotheken in Gebäuden ergibt sich aus der anvisierten Nutzungsform. Einrichtungen, welche außerhalb der Unterrichts- und Schulzeit benutzt werden sollen, müssen zu diesen Zeiten erreichbar sein. Dies impliziert die Unterbringung von Schulbibliotheken in einer Lösung, welche ermöglicht, dass sie selber geöffnet, der Rest der Schule aber geschlossen bleiben kann. Gleichzeitig impliziert solch eine Forderung, dass Schulbibliotheken überhaupt nach dem Unterricht und in den Ferien geöffnet sein sollten. Es ergibt sich zudem wieder die rechtliche Problematik der Aufsichtspflicht. Welche Aufsichtpflicht kann und muss das Personal von Schulbibliotheken übernehmen, wenn die Bibliotheken außerhalb des Unterrichts ein regelmäßiges Bildungsangebot unterbreiten? Sind sie hierbei den Anbieterinnen und Anbietern von schulischen Arbeitsgemeinschaften gleichzustellen oder erlangen sie durch die Länge der Öffnungszeiten oder das spezifische Angebot eine gesonderte Stellung? In diesem Zusammenhang ließen sich ebenfalls Fragen zur Sicherheit stellen, vor allem falls Schulbibliotheken dem Anspruch gerecht werden eine Anzahl unterschiedlicher Medien, inklusive der zum Teil teuren Abspielgeräte, bereitzuhalten. Dieser Aspekt wird indes nirgends gesondert thematisiert.

Bei öffentlichen Bibliotheken, welche in Schulen untergebracht sind oder Schulbibliotheken, die neben den unmittelbaren Angehörigen der jeweiligen Bildungseinrichtung außerdem anderen Gruppen zur Verfügung gestellt werden sollen, stellt sich dieses Problem in weiter verschärfter Form. [118] Zum einen muss ermöglicht werden, die Aufsichtspflicht über die Schülerinnen und Schüler einzuhalten, zum anderen muss es den anderen Nutzerinnen und Nutzern ermöglicht werden, die Bibliothek ohne weitere Hindernisse zu benutzen. [119] Offenbar wird dies, dem wenigen Bildmaterial zufolge, zumeist über separate Eingänge für nicht zur Schule gehörende Personen an der Außenseite der Gebäude sowie einer internen räumlichen Trennung gelöst. Allerdings lassen sind in der Literatur keine ausgefertigten Konzepte nachweisen, wie mit diesem Problem umzugehen ist.

Eine Grundforderung an die Räume, in denen Schulbibliotheken untergebracht werden sollen, lautet Flexibilität. Im besten Fall sollen die Räume ohne größeren Aufwand umgenutzt werden können. Dabei wird betont, dass sich diese Forderung nicht allein auf das Umstellen von Möbelstücken, sondern ebenso auf Anschlüsse für elektronische Geräte und die Beleuchtung bezieht. Zeitweise wurde der Anspruch erhoben, dass die gesamte Fläche der Bibliothek auf einer Ebene einzurichten sei. Als Begründung für diese Anforderung wird der Anspruch genannt, eine enthinderte Einrichtung zu sein. Demgegenüber sind in der Literatur zahlreiche Lösungen mit mehreren Etagen dokumentiert. [120]

Die meisten Aussagen zur Innenausstattung von Schulbibliotheken gehen von einem zusammenhängenden Raum aus, der zu gestalten sei. Ein Archiv wird nirgends gefordert. Dafür wird oft davon ausgegangen, dass es nötig sei, die Bibliothek räumlich zu gliedern. Hierfür sollen vorrangig die vorhandenen Möbel genutzt werden, mit denen Bereiche voneinander abgetrennt und Nischen gebildet werden können. Bei dieser Aufstellung sei, so einige Veröffentlichungen, auf das Prinzip des fallenden Geräuschpegels zu achten. [121] Dies bedeutet, die Bereiche, in denen mit einem relativ hohen Geräuschpegel zu rechnen ist – wie dem Ausleih- und Katalogbereich oder den Spielecken – von den Bereichen, in welchen ein möglichst geringer Geräuschpegel zu herrschen hätte, zu separieren. Eine solche Aufstellung kann als Versuch gelten möglichst viele potentielle Nutzungsformen in einer Einrichtung zu integrieren.

Desweiteren fordern alle in dieser Frage relevanten Texte die Nutzung von Tageslicht als Hauptbeleuchtung der Bibliothek. Diese müsse möglichst einladend sein und einen möglichst positiven Lernort bieten. Hierzu zählt offenbar, soweit möglich, auf künstliches Licht zu verzichten. Gleichwohl muss solches Licht vorhanden sein. Dabei gibt es wiederum einen Bedarf an Flexibilität. Licht sollte ebenso als raumgliederndes Element benutzt werden können, wie Buchregale. Empfohlen werden dabei verstellbare Punktleuchter, während eine undifferenzierbare Direktbeleuchtung abgelehnt wird.

Dahm (2003) erwähnt die Notwendigkeit, die Bodenbelastung durch den Bibliotheksbestand zu beachten und verlangt, bei der Einrichtung einer Bibliothek nur Räume zu wählen, welche die Belastung von 5 kN pro qm nicht unterschreiten. Zudem greift er die in älteren Schriften erhobene Forderung einer Mindestgröße von 30qm pro 1000 Medieneinheiten auf. [122]

Da Schulbibliotheken als Lernorte verstanden werden, die einzeln, in Gruppen und im Klassenverband benutzt werden sollen, wurde als Mindestwert für die Ausstattung an Arbeitsplätzen eine Klassenstärke gefordert. Allerdings lassen sich aus den dokumentierten Bibliotheken keine Präferenzen für bestimmte Arten der Ausstattung an Arbeitsplätzen ausmachen. Während einige Einrichtungen mit Tischen und Stühlen, wie in den Klassenräumen ausgestattet sind und somit den Eindruck einer Studienbibliothek vermitteln, existieren in anderen Bibliotheken eher freizeitorientierte Möblierungen mit Sesseln, Couchen und niedrigen Tischen. Es ist zu vermuten, dass sich die Ausstattung am Anspruch der jeweiligen Bibliothek und den jeweils zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln orientiert.

Weiter spezifiziert wurden solche Forderungen durch das Mediothekskonzept. Eine Mediothek sollte einen multimedialen Unterricht ermöglichen. Dies bedeutete, dass sie sowohl technisch als auch räumlich dafür ausgestattet werden sollte. Beamer, Overheadprojektor, Flipcharts sowie entweder eine Leinwand oder weiße Wände, welche die Benutzung einer solchen Infrastruktur ermöglichen sollten, wurden zur Grundausstattung gezählt. Heute lässt sich fragen – da diese Ausstattung in nahezu allen Schulen mehrfach vorhanden ist – ob eine Konzentration derselben in der Mediothek notwendig ist.

Ein weiterer oft angesprochener, aber kaum ausgeführter Punkt ist die Ausstattung mit Computern. Dabei hat es im letzten Jahrzehnt fundamentale Veränderungen bei deren Verbreitung, den Nutzungsformen und -möglichkeiten gegeben. Wie schon festgestellt erhebt die Diskussion über Schulbibliotheken den Anspruch, Computer und die durch sie nutzbaren Medien zu integrieren und zum Gegenstand schulbibliothekarischer Arbeit zu machen. Aus diesem Anspruch ergibt sich die Forderung, dass Bibliotheken in Schulen mit Computern und Internetanschlüssen versehen sein müssten. Wie ebenfalls schon erwähnt, ist gerade diese Forderung durch die Existenz von eigenständigen Computerräumen fragwürdig geworden. Letztlich hat bis heute keine Diskussion über die Verwendung von Rechnern in Schulbibliotheken stattgefunden. Ein Grund dafür war gewiss die relativ schnelle Entwicklung der Computertechnik, die es schwierig machte, einen Stand der Ausstattung zu halten welcher für Schülerinnen und Schüler ansprechend war. Cron (2001a) geht demgegenüber davon aus, dass die heute für Schulen erreichbare Technik diesen Ansprüchen genügen würde. Insoweit ließe sich für die nächsten Jahre eine ausführlichere Auseinandersetzung über den Sinn von Rechnern in Schulbibliotheken sowie über Mindeststandards beim Umgang mit ihnen erwarten. In einem weiteren Text möchte Cron (2001b) diese Diskussion auf das Konzept einer Laptop-Schule übertragen wissen.

Zwei Bereiche der Computernutzung werden in der Literatur näher besprochen. Zum einen wird ein Rechner für die Verwaltung der Bibliothek gefordert, der nur dem Personal zugänglich sein soll. Über diese Rechner wurde zeitweise die Einbindung der Bibliothek in das Netz der Öffentlichen Bibliotheken angestrebt. Es sollte die Möglichkeit bestehen, auf den Bestand der nächsten Öffentlichen Bibliothek zurückzugreifen und Fernleihen auszulösen. In Berlin gibt es, neben den kombinierten Schul- und Öffentlichen Bibliotheken, nur eine Schulbibliothek, die mit dem Netz der Öffentlichen Bibliotheken direkt verbunden ist. Dabei ist zu beachten, dass durch die Möglichkeiten des Internets heute ein indirekter Zugriff auf diese Ressourcen möglich ist.

Eine zweite angedachte Nutzungsform von Computern in der Schulbibliothek war der Zugang zu Datenbanken. [123] Lernende sollten in der Bibliothek die Möglichkeit erhalten, den Umgang mit solchen Recherchemitteln zu erlernen. Diese Forderung passt sich ein in den bibliothekspädagogischen Anspruch, Schülerinnen und Schülern den Umgang mit Medien nahe zu bringen und ihre Kompetenzen in diesem Bereich zu erhöhen. Ob diese Forderung über Einzelprojekte hinaus erfüllt wurde, lässt sich bezweifeln. Es fanden sich in Berlin keine Erwähnungen solcher Zugänge, gleichzeitig ist über das Internet selber der Zugriff auf zahlreiche kostenfreie Datenbanken möglich, die zur Einlösung des bibliothekspädagogischen Anspruchs genügen könnten.

2.1.4 Einbindung in die Pädagogik

Schulbibliotheken dürfen, wenn sie als pädagogische Einrichtungen wirken sollen, nicht als ein beliebiges Angebot innerhalb der Schulen benutzt, sondern müssen ein integraler Bestandteil des Unterrichtsalltags werden. Mit dieser Annahme treten Bibliothekare und Bibliothekarinnen an die Schulen heran. Dabei gibt es innerhalb dieser Forderung eine breite Varianz, wie genau eine solche Integration aussehen und funktionieren sollte. Grob lassen sich drei unterschiedliche Ansätze aus der Literatur herauskristallisieren:

  • Die Einbindung schulbibliothekarischer Angebote in den laufenden Unterricht.
  • Die geregelte und regelmäßige Nutzung der Bibliothek während des Unterrichts.
  • Die Einbindung der Schulbibliotheken in die Curricula.

Diese drei Teilforderungen widersprechen sich nicht, bedingen aber unterschiedliche Strategien und Argumentationsweisen.

Hoebbel (1985) entwarf eine Utopie, in der Lehr- und schulbibliothekarisches Personal kooperieren. Dabei sind die Lehrenden mit den Beständen und Möglichkeiten ihrer Schulbibliothek vertraut, während gleichzeitig in der Bibliothek die Curricula und das aktuelle Unterrichtsgeschehen bekannt ist. Damit eine solche Vorstellung Wirklichkeit werden kann, muss allerdings die Bibliothek entsprechend ausgestattet werden. Hoebbel schildert hierbei die, in den meisten Konzepten zu Schulbibliotheken implizierte, bestmögliche Nutzung einer solchen Einrichtung aus bibliothekarischer Sicht. [124]

Damit spricht er sich zusätzlich gegen die Praxis der einmaligen Bibliothekseinführungen von Schulklassen aus. Ein Interesse an der Arbeit in Bibliotheken, zum Beispiel den Umgang mit Katalogen, entstehe erst, wenn es für die eigenen Schularbeiten notwendig würde. In seiner als Utopie gezeichneten Schulbibliothek sei es möglich Einführungen und Übungen genau in diesem Moment anzubieten. Einmalige Einführungen müssten dagegen ein solches Interesse, welches für den Lernerfolg als notwendig angesehen wird, erst generieren.

Erfolgreich könnte eine solche pädagogische Arbeit vor allem sein, wenn sie nicht vollständig geplant und trotzdem nicht vollständig frei erfolgen würde. Als Programm für den Bibliotheksunterricht sieht Hoebbel Bausteine als praktisch an, das heißt Unterrichtskomponenten, welche zwar intern strukturiert seien, ansonsten jedoch in den jeweils günstigsten Situationen, zum Beispiel wenn der Lehrstoff sie erfordern würde, eingesetzt werden können. Dazu müsse der Unterricht so umgearbeitet werden, dass er Schulbibliotheken nötig mache. Dies wiederum unterteilt Hoebbel in Formen, in welchen der Schulbibliothek eine unterrichtsbegleitende und -ergänzende Funktion zukommt, in teilintegrierte Formen, in welchen der Unterricht zum Teil im Klassenraum und zum anderen Teil in der Bibliothek stattfindet und in vollintegrierte Formen, in welchen der Unterricht vollständig in der Bibliothek gehalten werden muss, da er ansonsten nicht erfolgreich stattfinden könnte. Solche Formen des Unterrichts sind sinnvoll nur durch die angedachte enge Zusammenarbeit der Schulbibliotheken mit dem Lehrpersonal zu verwirklichen. Hoebbel fordert deshalb folgerichtig, die einzelnen Bibliotheken durch Dienstleistungen zentraler Einrichtungen zu entlasten. [125] Als mögliche Folge eines solchen Unterrichts postuliert er, dass die Funktion der Lehrerin und des Lehrers sich von der Aufgabe der Vermittlung des Wissens hin zur Unterstützung beim Selbstlernprozess der Kinder und Jugendlichen verschieben würde.

Papendieck (1985) erweiterte diese Vorstellung, wenn er von fünf unterschiedlichen Konzepten für Schulbibliotheken spricht, die sich auf die Funktion und den Bestand der Einrichtungen auswirken würden. Das propädeutische Konzept würde eine vom Schulalltag relativ getrennt existierende Bibliothek bezeichnen, deren Bestand sich an Öffentlichen Bibliotheken ausrichten würde. Eine Nutzung durch Schülerinnen und Schüler sei hier, wie bei Öffentlichen Bibliotheken, zwar möglich, würde andererseits nicht unbedingt mit dem jeweiligen Unterricht zusammenhängen. Dagegen sei der Bestand im unterrichtsbegleitenden und im emanzipatorischen Konzept eher an die Anforderungen der Curricula angelehnt. Hier besteht ein direkter Austausch zwischen Schule und Bibliothek. Dabei unterscheidet sich das emanzipatorische Konzept, welches Papendieck in den 1970er Jahren verortet, vom unterrichtsbegleitenden im Anspruch, den Lernenden die Steuerung ihrer Lernprozesse selbst zu überlassen. Als Steigerung oder auch Gegenkonzept zu diesem wird die Bibliothek als gestaltete Lernumwelt verstanden. Der Bestand korrespondiert hierbei weiter mit den Lehrplänen, geht allerdings mit einem ganzheitlichen Anspruch darüber hinaus. Er bietet also nicht nur die Möglichkeit, die in den Lehrplänen festgeschriebenen Ziele zu erreichen, sondern über den vorgelegten Stoff hinauszugehen. Es sollen neben den unterschiedlichen Lernstrategien und -geschwindigkeiten der Kinder und Jugendlichen deren differenzierten Interessen akzeptiert werden. Dies solle sich ebenfalls in der Architektur der Bibliotheken widerspiegeln, welche statt einem einheitlichen Raum gleichzeitig mehrere abwechslungsreiche Lernräume bieten solle. Als Erweiterung dieses Konzept versteht Papendieck das Konzept einer Schulmediothek als Kommunikationszentrum. Hier wird nicht nur das Lernen mit unterschiedlichen Medien ermöglicht. Es wird ein Treffpunkt geschaffen, welcher von unterschiedlichen Gruppen genutzt werden kann. Zudem bestehe in diesen Einrichtungen die Möglichkeit, dass Lernende selber Medien erstellen.

Selber tendiert Papendieck vor allem zum letztgenannten Konzept, auch wenn er feststellt, dass dessen Umsetzung in Deutschland bisher kaum vorstellbar sei. Wichtig erscheint, dass er die einzelnen Bibliotheken als Teil der Schulen begreift und nicht als autarke Einrichtungen. Deshalb plädiert er dafür, die konkreten Konzepte am Grundkonzept der jeweiligen Schule zu orientieren.

Wiese (2001a), der in seinem Nachruf auf die Zeitschrift schulbibliothek aktuell eine der prononciertesten Positionen für Schulbibliotheken in einer pädagogischen Zeitschrift vertrat, benennt explizit, dass die jeweilige Bibliothek und deren Schule immer aufeinander bezogen arbeiten müssten, um eine Wirkung zu erzielen. Eine Schulbibliothek alleine würde keine Änderung der Lernprozesse ermöglichen, ebenso wenig, wie eine Bibliothek, welche nur als Schul- und Lehrbuchsammlung verstanden würde. Gleichwohl würden die neuen Anforderungen an die von Wiese propagierte "Neue Lernkultur", welche auf der Verwendung von unterschiedlichem, von den Lernenden selbst erarbeitetem Wissen basieren würde, Schulbibliotheken erforderlich machen.

Dabei werden Schulbibliotheken in der Praxis oft einzig als Orte der Leseförderung begriffen. Eine Folge davon ist, dass sie, wenn überhaupt, vorrangig im Deutschunterricht und in seltenen Fällen im restlichen Sprachunterricht genutzt werden. Hier wird der Bestand vor allem als Lesemöglichkeit begriffen, der das Ziel des Lesen- und Sprachenlernens durch ein größeres Angebot, als es die Lehrbücher geben können, unterstützen soll. Eine so verstandene Bibliothek hätte nicht nur einen großen Bestand an unterschiedlicher unterhaltender Literatur in diversen Sprachen bereitzuhalten. Sie sollte ebenso einen lesemotivierenden Raum anbieten. Weniger Arbeitsplätze, als vielmehr gemütliche Ecken wären in solchen Einrichtungen zu installieren. Außerdem müssten solche Einrichtungen vorrangig in Grundschulen vorkommen, in welchen die Leseerziehung Unterrichtsziel ist.

Ein Blick zum Beispiel Berlin zeigt hier ein eklatantes Missverhältnis. [126] Während in 5,1% der Grundschulen eine Schulbibliothek nachgewiesen werden konnte, waren es 13,1% der Gymnasien und 7,0% der Gesamtschulen. Dabei findet zusätzlich der Anfangsunterricht der ersten Sprache in Berlin in der Regel ebenfalls in den Grundschulen statt.

Angesichts dieser Zahlen ist es relevant, dass ebenso in den wenigen Äußerungen von Politikerinnen und Politikern Schulbibliotheken fast ausschließlich als Räume des Lesenlernens bezeichnet werden.

Dabei klagen ebenso Teacher Librarians aus Ländern, in denen Schulbibliotheken im Unterricht verankert sind, darüber, dass sie zumeist von den Klassen der jeweiligen Landessprachen und den anderen unterrichteten Sprachen benutzt würden. Allerdings erscheint es in Deutschland so, als würde in anderen Unterrichtsfächern nie die Schulbibliothek benutzt, während es in anderen Staaten um die prozentuale Verteilung der Nutzungshäufigkeit geht.

In den zahlreichen dokumentierten Projekten der letzten Jahre dominierte ebenfalls die Leseförderung. Außerunterrichtliche Projekte sowie solche zur Geschichte, stellen die Ausnahme dar. Andere sind überhaupt nicht nachzuweisen. Haas (2002) stellt insoweit vollkommen berechtigt fest, dass bisher im deutschen Schulwesen nicht klargemacht werden konnte, welche Vorteile Schulbibliotheken bieten würden. Dafür nennt er drei Argumentationen. Zum ersten gäbe es die Auffassung, dass die Öffentlichen Bibliotheken und deren Bestand ausreichen würden. Zum zweiten seien die bisher den Schulen gestellten Aufgaben ohne Schulbibliotheken zu erfüllen gewesen. Und drittens würden schlechte Erfahrungen, die Lehrende mit Schulbibliotheken gemacht haben, dahin wirken, dass sie sich auf eine Arbeit mit ihnen nicht mehr einlassen würden. Haas hält gegen diese Gründe an Schulbibliotheken fest. Sie müssten, um eine Wirkung zu erlangen, in jedem Unterrichtsfach benutzt werden.

Im von Busch (2003) publizierten Sammelband finden sich Unterrichtsbeispiele, welche versuchen, diesem Anspruch gerecht zu werden. Dabei geht es meist um einzelne Projekte, in deren Rahmen die Bibliothek als Informationsquelle, zumindest für den ersten Teil der Arbeiten, dient. In einem Exempel wird in einem interdisziplinären Ansatz ein Waldstück in Dorsten (Nordrhein-Westfalen) behandelt. Dabei werden Themen der Ökologie, der Soziologie, der Biologie, der Geschichte und anderer Themengebiete in einem Projekt gebündelt angesprochen. Dies soll unter anderem Kinder und Jugendliche an interdisziplinäres Arbeiten in Bibliotheken gewöhnen. In anderen Beispielen bearbeiten Lernende ein Thema mithilfe jeweils unterschiedlicher Sachbücher. Dies soll sie lehren, den gelesenen Inhalt zu komprimieren und zu systematisieren. Die Erstellung von Ausstellungen soll sie mit dem wissenschaftlichen Arbeiten bekannt machen, während die Produktion eines Videofilms über Viertaktmotoren das selbstbestimmte Lernen und Arbeiten ermöglichen sowie die kritische Medienkompetenz erhöhen soll. Für das letzte Beispiel wurde bewusst ein technisches Beispiel gewählt, um an den Erfahrungen der Berufsschülerinnen und -schüler, die an diesem Projekt teilnahmen, anzuschließen.

Die Anforderung von bibliothekarischer Seite ist demnach, Schulbibliotheken in die Curricula jedes Schulfaches einzubinden, ihre Benutzung zu institutionalisieren, ihre mögliche Bedeutung bekannt zu machen sowie die einzelnen Einrichtungen in einer Weise auszustatten, so dass sie alle denkbaren Angebote zur Verfügung stellen können. Das Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, München (1996) stellt diesem Gedanken folgend fest, dass es aufgrund des stark gegliederten deutschen Bildungssystems ebenso differenzierte Formen von Schulbibliotheken geben müsse.

Eine oft getroffene Feststellung ist die, dass Schulbibliotheken zwar weder in den Lehrplänen der Schulen, noch in der Ausbildung der Lehrkräfte vorkommen würden, gleichzeitig aber die Anforderungen der Lehrpläne und der neueren Konzepte von Bildung nicht ohne Schulbibliotheken umzusetzen sei. [127] Freilich wird bei solchen Äußerungen übersehen, dass Schulen bisher immer andere Formen gesucht und gefunden haben, um die ihnen gestellten Aufgaben zu erfüllen. Die suggerierte Evidenz, dass durch die neuen Anforderungen an Schulen nahezu automatisch Schulbibliotheken begründet würden, ist deshalb nicht nachzuvollziehen.

2.1.5 Desiderate

Die Lektüre von Forschungen und Einführungswerken zum Schulbibliothekswesen in anderen Staaten macht deutlich, dass eine Anzahl von bibliothekarischen Anforderungen an Schulbibliotheken gestellt werden könnte, welche in der deutschen Diskussion nahezu nie vorkommen. Dabei ist zu erwarten, dass die hinter diesen Anforderungen stehenden Konzepte und Probleme im Zuge der stärker zunehmenden Internationalisierung ebenso in der deutschen Bildung an Bedeutung gewinnen werden. Sie werden hier in der Erwartung vorgetragen, dass sie in den nächsten Jahren in der bibliothekarischen Diskussion Bedeutung gewinnen könnten.

Auffällig ist, wie schon ausgeführt wurde, dass das Schulbibliothekswesen außerhalb Deutschlands kaum Thema der deutschen Diskussion ist. Die dort gewonnen Lernergebnisse werden zumeist nur als Argument in politischen Texten zitiert, indessen nicht in den deutschen Kontext übersetzt oder als Ausgangspunkt weiterer Forschungen benutzt.

2.1.5.1 Library Skills

Teacher Librarians sind ausgebildete Lehrkräfte. Sie leiten nicht nur eine Schulbibliothek, sondern sind selber in der Lage, zu unterrichten. Obwohl die Konzeptionen und Formen der Eingliederung in den Schulbetrieb offenbar unterschiedlich sind, so sind doch in einer Anzahl englischsprachiger Länder Librarians Teil des Lehrkörpers und nicht, wie in Deutschland entweder zur Schule, doch nicht zum Lehrbetrieb dazugehörige Bibliothekarinnen und Bibliothekare oder aber Lehrerinnen und Lehrer, welche nebenher die Bibliothek leiten. Der von den Teacher Librarians erteilt Unterricht wird zumeist als Library Skills bezeichnet. Diese, analog zu Information Skills, als Bibliothekskompetenzen zu übersetzenden Inhalte, finden sich in deutschen Curricula bisher nur ansatzweise.

Library Skills umfassen die selbstständige und zielgerichtete Benutzung von Bibliotheken und anderen Informationseinrichtungen, den kritischen Umgang mit Medien und die Fähigkeit, die gewonnenen Informationen zielgerichtet zu nutzen. Ihre Eingliederung in die Curricula geschieht durch besondere Unterrichtsstunden. [128]

Eine solche Einbindung in den Unterricht hat den Vorteil, dass in den Schulbibliotheken auf dieses Wissen aufgebaut werden kann. Bei jeder Klassenstufe kann auf diese Weise von einem Grundwissen über Funktionen von Bibliotheken ausgegangen und, an diese Kenntnisse anschließend, besondere Dienstleistungen vermittelt werden. Wesson and Keefe (1995) gehen beispielsweise davon aus, dass in Bibliotheken Kindern und Jugendlichen nur wirklich effektiv geholfen werden kann, wenn bekannt sei, was diese Schülerinnen und Schüler an Fähigkeiten mitbringen würden. Im Hinblick auf Library Skills geregelte Curricula würden ein solches Wissen zumindest zum Teil ermöglichen.

Eine solche Vermittlung ist indes nur möglich, wenn Teacher Librarians als solche eingesetzt werden. Mehrfach wird sich darüber beschwert, dass sie eher als Vertretungskräfte eingesetzt würden, um den Ausfall von Stunden zu verhindern. [129] Das zeigt andererseits, dass sie, im Gegensatz zu ihren Pendants in Deutschland, als pädagogische Kräfte anerkannt sind. Zudem wird unter anderem von der Australian School Library Association und der Association of Canadian Publishers darauf hingewiesen, dass die Zahl der von Teacher Librarians betreuten Schulbibliotheken in den letzten Jahren relevant abgenommen habe. Haycock (2003) beziffert diesen Trend für die kanadische Provinz Ontario mit einem Teacher Librarian pro 400 Schülerinnen und Schüler im Jahr 1976 auf 1:700 im Jahr 2003, während Lonsdale (2003) für die Provinz Tasmania in Australien von 1:875 im Jahr 1996 und für 2000 von 1:1219 spricht. Das Aufstellen einer solchen Statistik ist für Deutschland, wegen der fehlenden professionellen Ausbildung, nicht einmal in Ansätzen möglich.

Insoweit wäre es falsch, davon auszugehen, dass das Konzept der Library Skills außerhalb Deutschlands unumstritten wäre. Dennoch bietet es eine Basis, auf welche die deutsche Diskussion referieren könnte, um Konzepte für Schulbibliotheken zu entwickeln. Falls sich die in zahlreichen der ausgewerteten Texten geäußerte Ansicht, dass in den nächsten Jahren die Bedeutung von Kompetenzen als Bildungsziel wachsen wird, als richtig erweist, wäre eine Diskussion über Library Skills und expliziten Bibliotheks- oder Informationsunterricht, unumgänglich.

2.1.5.2 Gesicherte Stellung

Eine weitere Erkenntnis, die sich in der englischsprachigen Literatur durchgesetzt hat, ist, dass Schulbibliotheken nur einen langfristigen Effekt haben, wenn ihre Existenz als funktionstüchtige Bibliothek gesichert ist. Dies schließt nicht nur einen regelmäßigen Erwerbungsetat ein, der es zum Beispiel nach Gillespie and Sprit (1983) ermöglichen soll, den Bestand der Bibliothek innerhalb von zehn Jahren vollständig auszutauschen. Ebenso wichtig ist eine administrative Unterstützung der Bibliotheken, welche eine relativ klare rechtliche Stellung beinhalteten müsse. Zudem ist es unabdingbar, die Existenz einer Schulbibliothek über einen längeren Zeitraum sicherzustellen. In Deutschland, in welchem Schulbibliotheken zumeist auf ehrenamtlicher Arbeit beruhen, ist solche eine Garantie kaum möglich.

In der deutschen Diskussion sind solche Einsichten nur implizit zu finden. Eine systematische Aufstellung, welche Voraussetzungen für längerfristig funktionierende Schulbibliotheken notwendig sind, ist bisher – obwohl eine solche durchaus in politischen Diskussionen als Minimalkatalog eine Rolle spielen könnte – nicht angegangen worden.

Der Deutsche Bibliotheksverband (1987) kam einer solchen Liste am nächsten, als er darauf insistierte, dass ein tragfähiges Schulbibliothekskonzept für ein Bundesland die Klärung der Zuständigkeiten, die Finanzierung des Personals, den Ausbau zentraler Einrichtungen, eine gesicherte Aus- und Fortbildung sowie die Einbeziehung von schulbibliothekarischen Möglichkeiten in die Aus- und Fortbildung der Lehrenden beinhalten müsse. Ohne die Klärung dieser Fragen, insbesondere der Finanzierung, würde sich keine Besserung der Lage einstellen. An dieses Konzept wurde nicht mehr in größerem Maße angeschlossen.

Zumindest die geäußerten Forderungen, die sich auf Möglichkeiten für kontinuierliche Arbeit von Schulbibliotheken beziehen könnten, sind seit dieser Publikation bescheidener geworden. Die Beratungsstelle Schulbibliotheken des Deutschen Bibliotheksinstituts (1992) forderte Dienstleistungszentren und Schulbibliothekarische Arbeitsstellen sowie mindestens eine halbe bibliothekarische Fachkraft pro Bibliothek. Die Adresse dieser schon reduzierten Forderungen war nicht klar benannt. Der Deutsche Bibliotheksverband hatte dagegen mit den Bundesländern die potentiellen Gesprächspartner immerhin eingegrenzt.

In der Einführung zur letzten größeren Publikation zum Thema Schulbibliotheken fordert Hoebbel (2003) tägliche Öffnungszeiten und einen gesicherten Etat. Einen Katalog mit Mindeststandards, an denen Schulbibliotheken gemessen werden könnten, denkt er als nützliche Möglichkeit an. Als Vorschlag nennt er einen klaren kommunalen und staatlichen Rahmen.

Die schwierige Lage der Schulbibliotheken in Deutschland hat offenbar zu einer Rücknahme von einst als essentiell betrachteten Anforderungen geführt. Als Desiderat bleibt heute die Frage, wie weit in den Mindeststandards noch zurückgegangen werden kann oder ob diese Praxis nicht die Funktionsfähigkeit des Schulbibliothekssystems, wie es von bibliothekarischer Seite gewünscht wird, schon zu weit verunmöglicht hat. Es hat gerade auf dem Gebiet der Technik seit den letzten weitreichenden Forderungskatalogen für Schulbibliotheken massive Entwicklungen gegebenen. Zu diskutieren wäre, welche Minimalforderungen, basierend auf welchen Erkenntnissen, auf Grundlage dieser Entwicklungen heute für Schulbibliothekssysteme in Deutschland zu stellen wären.

Für einen langfristigen Betrieb von Schulbibliotheken müssten kontinuierlich Forschungen durchgeführt werden, um die sich ändernden Anforderungen und Möglichkeiten, welche sich der schulbibliothekarischen Arbeit bieten, erfassen und in den alltäglichen Betrieb überführen zu können. Dies findet andererseits nur in einigen anderen Staaten statt. Dennoch ist eine kontinuierliche Forschung die Grundlage einer zeitgemäßen Aus- und Fortbildung. Wenn Schulbibliotheken als bibliothekarische Einrichtungen verstanden werden, müsste die bibliothekarische Forschung zu diesen Themen beitragen. In den USA ist eine solche Forschung zum Beispiel mit der wissenschaftlichen Ausbildung der Teacher Librarians an der University of North Carolina in Chapel Hill verbunden. Zurzeit scheint sowohl in Deutschland, als auch in der Europäischen Union, die als weitergehender Bezugsrahmen gelten könnte, keine Institution zu existieren, die solche, über Einzelarbeiten hinausgehende, Forschungen tragen oder initiieren könnte.

2.2 Pädagogische Ansprüche

Pädagoginnen und Pädagogen nehmen Schulbibliotheken vor allem als einen Lernraum im Rahmen der Schulen wahr. Ihre Anforderungen reflektieren vorrangig die Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler beim Lesenlernen zu unterstützen, einen schulnahen Raum neben den Unterrichts- und Fachräumen anzubieten sowie fächerübergreifende Projekte zu realisieren. Bibliothekarische Standards sind in diesem Rahmen kein Thema. Ebensowenig das von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren vertretene Bild von Schulbibliotheken als kleine, aber dennoch vollständige Bibliotheken, welche – neben ihrer lernunterstützenden Funktion – als Übergangsstationen hin zur selbstständigen Nutzung Öffentlicher Bibliotheken gelten sollen.

Dessen ungeachtet existieren und funktionieren Schulbibliotheken ohne bibliothekarische Betreuung. Der Großteil der Schulbibliotheken wird in Deutschland offensichtlich von pädagogisch ausgebildetem oder ehrenamtlichem Personal betreut. In Berlin wird in den ersten Monaten des Jahres 2006 alles bibliothekarisch ausgebildete Personal in den Oberstufenzentren, welches bisher von der zuständigen Senatsverwaltung gestellt wurde, aus den Bibliotheken abgezogen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird deshalb ab der zweiten Hälfte 2006 keine dieser Schulbibliotheken mehr von solchem Personal betreut werden. [130]

Im folgenden Abschnitt wird versucht, die Ansprüche an Schulbibliotheken von pädagogischer Seite zu systematisieren. Dabei muss beachtet werden, dass es immer nur einige Pädagogen und Pädagoginnen der einzelnen Schulen sind, welche sich mit Schulbibliotheken beschäftigen. In einer Vielzahl der Schulen gibt es keine solchen Lehrkräfte. Dies ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Nicht-Existenz von Schulbibliotheken in den meisten deutschen Schulen sowie dem Fakt, dass Schulbibliotheken und ihre Möglichkeiten in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrern nur in Ausnahmefällen thematisiert werden, geschuldet. So Schulbibliotheken über eine längere Zeit aktiv betrieben werden, wird auch das Interesse beim lehrenden Personal in den Schulen geweckt. Es existiert offenbar keine explizite Abneigung gegen Schulbibliotheken. Zumindest wurde darüber weder in den ausgewerteten Texten, noch bei den Recherchen zu dieser Arbeit berichtet. Trotzdem mag der Erkenntniswert der folgenden Ausführungen durch die geringe Signifikanz der ausgewerteten Aussagen eingeschränkt sein. Intensiver durchgeführte Studien, die sich mit anderen wissenschaftlichen Instrumenten als den hier praktizierten Auswertungen von publizierten Äußerungen und Leitfadeninterviews mit den Anforderungen des gesamten pädagogischen Personals einzelner Schulen beschäftigen, könnten zu weitergehenden Ergebnissen gelangen. [131]

2.2.1 Lesekompetenz und Literacy

Bibliotheken gelten den meisten Pädagoginnen und Pädagogen in erster Linie als Orte des Lesens. Schulbibliotheken sind in dieser Logik vorrangig Orte des Lesenlernens. Dabei wurde in den letzten Jahren, verstärkt seit der ersten PISA-Studie, betont, dass es sich beim Lesen nicht alleine um das Entziffern von Buchstaben handelt, sondern ebenso um das sinnvolle Verarbeiten des Gelesenen. Die beiden in diesem Kontext benutzten Schlagworte sind Literacy und Lesekompetenz. Sie werden nahezu synonym benutzt, obwohl sie von unterschiedlichen Bildungsvorstellungen getragen werden. Literacy wird als zusammenfassender Begriff für die Fähigkeiten verstanden, welche nötig sind um Texte für die Bewältigung des Alltags und die Anforderungen des Arbeitsmarktes zu nutzen. Lesekompetenz bündelt als Begriff Fähigkeiten, die es ermöglichen sollen, Texte in ihren kulturellen Zusammenhang einzuordnen und in diesem zu nutzen. Insoweit orientiert sich der Begriff Literacy mehr an betriebswirtschaftlichen Vorstellungen, während Lesekompetenz auf der Vorstellung einer umfassenden Bildung beruht. Zumindest in den Diskussionen um Schulbibliotheken wird diese Unterscheidung nicht thematisiert.

Im Rahmen dieser Diskussionen wird Literacy als funktionaler Alphabetismus verstanden. Diese Unschärfe macht es einerseits möglich, eine Vielzahl von Zielen und Projekten unter dem gleichen Begriff zu fassen, andererseits erschwert es eine genauere Darstellung der jeweiligen Ziele der einzelnen pädagogischen Projekte, in denen Schulbibliotheken eine Rolle spielen. [132]

Gemeinsam ist den Äußerungen und Texten, dem Lesen eine besondere und grundlegende Bedeutung zuzusprechen. Lesen können wird oft als die wichtigste Kulturtechnik angesehen, deren Beherrschung als die Grundlage, sowohl für die Kommunikation in der Gesellschaft als auch für die Meisterung der schulischen Lernziele angesehen wird. [133] Gerade im Bereich der Grundschulen geht dies mit der Minderqualifizierung anderer Kompetenzen einher, welche als nachgeordnet verstanden werden.

Diese Ansicht, dass Lesen die wichtigste Kulturtechnik sei und Schulbibliotheken gute Leselernorte darstellen würden, deckt sich nicht mit der realen Situation. Die meisten Schulbibliotheken existieren in Gymnasien und Gesamtschulen, Grundschulen stehen in Berlin erst an dritter Stelle. [134] Eine ähnliche Situation wird aus anderen Bundesländern berichtet. Gedeutet werden könnte dies als ein Hinweis darauf, dass die Ausbildung der Lesekompetenzen in Deutschland nicht mit der Grundschule abgeschlossen ist. Allerdings wird die weitergehende Entwicklung somit vorrangig den besonders erfolgreichen Schülerinnen und Schülern ermöglicht. Die damit implizierte Ungleichheit wird in der Literatur und den politischen Debatten um die Leseförderung nicht thematisiert.

Es lassen sich in den Texten zwei Diskussionsstränge identifizieren, wie Schulbibliotheken die Lesefähigkeiten unterstützen könnten. Zum einen wird die Bibliothek als solche als fördernd angesehen. Ihre Existenz, ihr Bestand und die Möglichkeit für die Lernenden, sie relativ unkompliziert zu nutzen, würden im Endeffekt die durchschnittlichen Leseleistungen erhöhen. Zum zweiten wird die Bibliothek als Ort angesehen, der als Basis einer Vielzahl von Projekten und Initiativen gelten kann. Hier wird zwar auf den Raum und dessen, von anderen Lernräumen abweichende, Atmosphäre sowie den vorhandenen Bestand zurückgegriffen. Die Leseförderung erfolgt aber mithilfe vorbereiteter Maßnahmen.

2.2.1.1 Leseförderung im alltäglichen Betrieb

Hübner (2003) postuliert, dass eine gut ausgestattete und genutzte Bibliothek auch für schwache Lesende einen positiven Effekt haben kann. Seiner Ansicht nach ist es in einem gewissen Rahmen möglich, dass die Vorbildfunktion beim Lesen, welche ansonsten Familien zugeschrieben wird, von anderen Schülerinnen und Schülern übernommen wird. Er zitiert eine Studie, nach der Personen, die in ihrer Schulzeit mit Zeitungsartikeln arbeiteten, im späteren Leben zu einem signifikant größeren Teil Zeitungen nutzen, als Personen, die keinen solchen Zugang zu Zeitungen erhalten hatten. Dies sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Bücher zu übertragen. Zudem biete eine Bibliothek als Leseraum die beste Möglichkeit für Kinder und Jugendliche, mit Literatur in Kontakt zu kommen, selbst wenn in den Haushalten, in denen sie leben, keine oder kaum Bücher vorhanden seien. [135]

Ähnlich argumentiert Moers (2003). Sie geht davon aus, dass die Entwicklungsprozesse der Kinder und Jugendlichen jeweils differieren. Deshalb sei eine Lernumgebung, in welcher möglichst vielen unterschiedlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprochen werden kann, notwendig. Eine solche Umgebung, die Moers in einer ausgestatteten Bibliothek erfüllt sieht, könne gerade im Bereich der Lesekompetenz zu besseren Lernergebnissen führen als der herkömmliche Unterricht im Klassenraum. Dazu bedürfe es zusätzlich Lehrpersonen mit einer „hohen diagnostischen Kompetenz“. [136] Falls diese Vorraussetzungen erfüllt seien, könne die Schulbibliothek als Lernort ein Leseumfeld schaffen, welches ein eigenständiges, selbstbestimmtes und entdeckendes Lesen ermöglichen würde. Dabei würde eine Atmosphäre geschaffen, die sich vom Klassenraum signifikant unterscheide und mehrere Nutzungsmöglichkeiten offerieren würde. [137] Der Bestand könnte zu literarischen Begegnungen und gleichzeitig zur Informationsbeschaffung aus Sachbüchern dienen.

Die freie Benutzung der Medien würde zu einem weitergehenden Lernprozess führen, der nicht durch den Unterricht, sondern durch das eigene Interesse motiviert sei.

Dabei deutet Moers an, dass der Raum Schulbibliothek als Lernort gestaltet werden muss. Während die Anforderung von bibliothekarischer Seite an Architektur und Ausstattung der Schulbibliotheken, wie in Abschnitt 2.1.3 dargestellt, vor allem auf den Betrieb der Einrichtungen ausgerichtet sind, sieht Moers in der Gestaltung des Raumes auch eine Möglichkeit, Lernen zu motivieren und zu ermöglichen. Dabei geht sie vor allem vom Lesenlernen aus. Dennoch sind bei ihr keine konkreten Vorstellungen zu finden, wie ein solche Umgebung aussehen soll. Gleichwohl zeigt sich, dass sich in der Frage der Ausstattung die bibliothekarischen und pädagogischen Vorstellungen voneinander unterscheiden, und dass sich dies gleichzeitig nicht widersprechen muss.

Thelen et al. (2000) weisen in ihrer Vorstellung der Bibliothek des Cusanus-Gymnasium in Erkelenz (Nordrhein-Westfalen) darauf hin, dass eine in dieser Hinsicht funktionierende Schulbibliothek Schwellenängste abbauen müsse. Ein offener Lernraum muss von allen Schülerinnen und Schülern ohne Probleme genutzt werden können. Dem entspricht die Praxis, die in Berliner Schulen beobachtet wurde. In einer Grundschule wurden die Leseausweise gänzlich abgeschafft, da sie für die Kinder als eigenständige Barriere wirkten. Hatten sie den Ausweis vergessen oder verlegt waren offenbar einige der Meinung, die Bibliothek nicht nutzen zu dürfen und kamen deshalb nicht. Ohne Leseausweis sei die Nutzungshäufigkeit gestiegen. [138] In anderen Schulbibliotheken wurde betont, dass es in ihnen nicht so streng zugehe, wie in Öffentlichen Bibliotheken und das dies Teil des Konzeptes sei, um die Bibliothek attraktiv zu gestalten. [139]

Das Land Rheinland-Pfalz schrieb im Rahmen seiner Kampagne für Ganztagsschulen im Juni 2004 eine Förderung für Leseecken aus. Diese sollen mit einem Rechner und einem Barcode-Scanner ausgestattet sein, um die Katalogisierung und Ausleihe eines Bestandes mithilfe der Software Bibliothek 2000 zu ermöglichen. Sie werden in der kleinen Variante 300 und in der größeren 600 Bücher enthalten. Gefordert ist die Möglichkeit, vor Ort zu lesen. Dies bedeutet, dass ein eigener Raum für diese Leseecken geschaffen werden muss. Die zu diesem Projekt veröffentlichten Raumskizzen gehen von Leseecken mit Sofa und Sesseln sowie Arbeitsplätzen mit Stühlen und Tischen aus. [140] Pflaum (2005b) bezeichnet diese Einrichtungen als Vorform von Schulbibliotheken. Nach seinen Worten sollen sie in der jetzigen Form Lesespaß vermitteln. Zwar sind ebenfalls die Unterstützung des schulischen Lernens sowie die Förderung der Medienkompetenz vorgesehen, doch für diese Bereiche werden keine besonderen Projekte genannt. Sie werden nur als Möglichkeit aufgezählt. Die freie Ausleihe sowie das Lesen in Schulpausen würden sich positiv auf die Lesefähigkeiten und die Lesemotivation der Kinder und Jugendlichen auswirken. Obwohl von einem relativen Ansturm auf diese Fördermaßnahme berichtet wurde, liegen bisher keine Zahlen darüber vor, ob sich die in die Leseecken gesetzten Hoffnungen erfüllen.

Auffällig ist bei diesem Projekt, dass auf eine fachliche Betreuung der Einrichtung verzichtet wird. Zumal der angedachte Bestand erstaunlich klein ist. Auf eine durchschnittliche Schule gehen in Rheinland-Pfalz rund 400 Schülerinnen und Schüler. Dies würde teilweise einen Bestand von weniger als einem Buch pro Person bedeuten. [141] Trotz dieser Einschränkungen gegenüber anderen Konzepten wird den Leseecken eine lesefördernde Wirkung vorhergesagt.

Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (2003) hatte in ihrem Überblick zum Lesen in Deutschland bemängelt, dass es kaum Materialien zu den Ergebnissen ähnlicher Projekte gibt. Dies könnte ebenso mit den Leseecken passieren, falls keine fortgesetzte Förderung zum Bestandserhalt ausgelobt wird. Insoweit könnte, wie bisher, nicht nachgewiesen werden, ob die Annahme, dass die Existenz von Leseräumen zu höheren Lesekompetenzen führt, stimmt. Solange dies nicht geschieht, wird sich diese Anforderung von pädagogischer Seite an Schulbibliotheken und kleinere Einrichtungen wie die Leseecken nicht empirisch absichern lassen. Dieser Zustand wird verstärkt durch das relativ verbreitete Nichtwahrnehmen von Ergebnissen internationaler Leseförderungsforschung. Hierzu bedürfte es einer Einrichtung, welche solche Studien nicht nur sichten und aufbereiten, sondern gleichzeitig die jeweilige Anwendbarkeit im deutschen Kontext überprüfen würde.

2.2.1.2 Leseförderung mittels Projekten

Die weit größere Zahl von Texten zu Schulbibliotheken setzt sich mit einzelnen Projekten auseinander, welche im Rahmen der Schulbibliothek zur Leseförderung veranstaltet werden können. Die Zahl von Artikeln, welche solche Projekte vorstellen, vermittelt teilweise den Eindruck, dass die Hauptaufgabe für Schulbibliotheken in der Organisation und Durchführung dieser Veranstaltungen bestehen würde. Insbesondere in der selbstständig erscheinenden schulbibliothek aktuell lag der Schwerpunkt auf diesem Themenbereich. Ebenso beschäftigt sich die Mehrzahl der Texte in pädagogischen Zeitschriften mit diesem Thema. Einzig die Texte über den Aufbau von Schulbibliotheken konnten eine ähnliche Publizität erreichen. Der Alltag in solchen Einrichtungen dagegen wurde und wird selten beschrieben oder reflektiert. [142]

Diese Projekte lassen sich systematisieren. Ein Teil von ihnen dient vorrangig dazu Kinder und Jugendliche überhaupt mit der Bibliothek vertraut zu machen. Ein großer Teil will durch Vorlesen das Interesse an Büchern wecken. Die meisten Projekte versuchen, Lernenden den Umgang mit Büchern nahe zu bringen. Dabei geht es vorrangig darum, Inhalte von Büchern zu erfassen und diese Inhalte zu verarbeiten.

Schaber-Bratenstein (2004) liefert in ihrer Arbeit sowohl den theoretischen Hintergrund als auch ein differenziert ausgearbeitetes Einführungsprojekt. Dabei unterteilt sie die Einführung in fünf Unterrichtseinheiten, die aufeinander aufbauend den Kindern und Jugendlichen die Bibliotheksnutzung, die Verwendung der Bibliothek für den Unterricht über das Fach Deutsch hinaus, die Möglichkeiten der freizeitorientierten Nutzung sowie den Umgang mit Computern im Rahmen der Bibliothek nahe bringen. Hierfür hatte die Autorin insgesamt 13 Schulstunden innerhalb einer Projektwoche zur Verfügung. Dies ist, angesichts der Verhältnisse an deutschen Schulen, eine seltene Möglichkeit. Die meisten Einführungen in Bibliotheken, ob an der Schule oder in Öffentlichen Bibliotheken, finden wohl in ein bis zwei Unterrichtsstunden statt. Durch diese Vorraussetzungen hatte die Autorin die Möglichkeit ihre geleistete Arbeit anhand eines Fragbogens zu evaluieren. Die von ihr befragten Schülerinnen und Schüler zeigten ein großes Interesse an der Bibliothek. Allerdings musste die geplante und in der bibliothekarischen Literatur immer wieder angemahnte Einführung in die Katalognutzung wegen mangelnder Konzentration der Lernenden unterbleiben. Schaber-Bratenstein bemerkt dazu, dass die Befragten ohnehin fast nie direkt ein Buch suchen. Offenbar finden sie sich auf andere Weise in der Bibliothek zurecht. Dies korreliert mit der Betrachtung, dass in den in Berlin besuchten Bibliotheken keine eigenständigen Kataloge vorhanden waren, obwohl die Einrichtungen intensiv genutzt wurden. Die Autorin verweist darauf, dass die Einführung in die Arbeit mit Katalogen zusätzlich in höheren Klassen erfolgen könne. Anscheinend betrachtet sie – genauso wie auch die Praktikerinnen in den Berliner Schulen – Kataloge für Bibliotheken, welche vorrangig dem Lesenlernen dienen sollen, nicht als vorrangig notwendig.

Ein weiterer Unterschied von Schaber-Bratensteins Ansatz zu anderen dokumentierten Einführungsveranstaltungen ist die über die eigene Bibliothek hinausgehende Perspektive. Hier könnte wieder eine Unterscheidung zwischen pädagogisch orientierten und bibliothekarischen Vorstellungen aufgezeigt werden. Bibliothekarisch ausgerichtete Einführungen nehmen die vorhandene Bibliothek als Beispiel für alle anderen Bibliotheken. Dies geht mit der in dieser Arbeit schon thematisierten Vorstellung einher, Lernende zur Nutzerinnen und Nutzern von Bibliotheken auszubilden. Andere Einführungen beschränken sich auf die jeweilige Bibliothek. Den Schülerinnen und Schülern soll nahe gebracht werden die eigene Schulbibliothek zu nutzen, so wie sie andere Angebote ihrer Schulen nutzen sollen. Es geht darum, sich in der spezifischen Einrichtung zu Recht zu finden, den dortigen Bestand und die dortigen Nutzungsbedingungen kennen zu lernen. Das dabei ebenfalls Kenntnisse erworben werden können, die in allen Bibliotheken gelten, ist denkbar, wird aber nicht vorrangig intendiert.

Zahlreicher als die Einführungen sind unterschiedliche Vorleseaktionen dokumentiert. Teilweise sind diese Projekte in den Bibliotheksalltag integriert, teilweise stellen sie besondere Veranstaltungen dar. So finden sich in mehreren Beschreibungen von Schulbibliotheken Hinweise auf Lesungen von Autorinnen und Autoren, vorrangig von Kinder- und Jugendliteratur. An einigen Schulen finden regelmäßige Lesefeste statt, in deren Rahmen vom Bibliothekspersonal, Lehrenden oder Eltern vorgelesen wird. [143] Bei solchen Lesefesten wird das Buch in den Mittelpunkt verschiedener Aktivitäten gestellt und soll somit als Gegenstand für die Freizeit propagiert werden. Andere Lesungen versuchen eine entspannende Atmosphäre zu generieren, die Bücher als Medium der Kontemplation etablieren soll.

Dabei ist auffällig, dass sich die meisten Vorleseprojekte in Grundschulen finden. Ein Beispiel ist das Frühstückslesen in Kleinblittersdorf (Saarland), bei dem ein Jahr lang Kindern der ersten Klasse von Schülerinnen und Schülern der Realschule, welche im gleichen Schulzentrum untergebracht ist, ein Bildbuch aus dem Bestand der Schulbibliothek vorgestellt wurde. [144] Im gleichen Schulzentrum fand ein Projekt statt, welches sich ebenfalls über ein Schuljahr erstreckte und an jeweils drei Tagen im Monat Märchen thematisierte. Dabei wurde den beteiligten Kindern an einem Tag in einer Öffentlichen Bibliothek ein Märchen vorgelesen, welches am nächsten Tag im Klassenraum verarbeitet wurde, um am letzten Tag in der Leselandschaft des Zentrums anderen Schülerinnen und Schülern vorgestellt zu werden. [145] Dieses Projekt kann als eines der umfangreichsten Angebote angesehen werden, dass gleichzeitig über die eigene Schulbibliothek hinausgeht. Es ist angelegt, literarische Texte nicht nur wahrzunehmen, sondern ebenso erlebbar zu machen. Der Erfolg, aus dem Gehörten eine eigene Nacherzählung formen zu können, soll ein Selbstvertrauen hervorbringen, welches den weiteren Umgang mit Texten erleichtern soll.

Viele weitere Projekte funktionieren kleinteiliger. An der untersuchten Schule C finden wöchentlich so genannte Bilderbuchkinos statt, bei der ein Bilderbuch in Deutsch und Türkisch vorgestellt wird. Einmal im Monat ist dieser Tag Mütter mit ihren Kindern vorbehalten. Hier dient die Schulbibliothek nicht nur als Ort der Leseförderung, sondern soll gleichzeitig zum Raum der Kommunikation zwischen den Müttern und Kindern werden. Eine Zusammenarbeit mit Öffentlichen Bibliotheken ist dagegen bisher nicht geplant. [146]

Andere Veranstaltungen beschränken sich auf die Lesemotivation. Huebser (2003) zählt für eine – allerdings im italienischen Südtirol existierende – Schulbibliothek einen Leseclub, Autorenpartnerschaften, eine aus Kulissen gebaute Lesestadt, die als Rückzug- und Spielort in der Bibliothek dienen soll, Märchen- und Adventsnachmittage, Autorenlesungen, regelmäßige Vorlesestunden, öffentliches Vorlesen und Lesenächte auf. Bei all diesen Projekten stechen zwei Charakteristika hervor. Zum einen sind sie auf die jeweilige Schule konzentriert. Offenbar soll der Bezug, den die Schülerinnen und Schüler zu ihrer Schulbibliothek aufbauen, genutzt werden. Dass analoge Veranstaltungen in Kinder- und Jugendbibliotheken angeboten werden, wird nicht thematisiert. Zum anderen werden immer wieder ähnliche Projekte initiiert, ohne dass eine weit reichende Kommunikation zwischen den Schulbibliotheken existiert. Es scheint nicht so, als ob auf die Erfahrungen anderer Einrichtungen zurückgegriffen würde. Das hat seine Gründe gewiss in der allgemein kaum vorhandenen Kommunikationsstruktur der Schulbibliotheken untereinander. Daneben ist nicht klar, wie die Zeit für einen solchen Erfahrungsaustausch zur Verfügung gestellt werden sollte. Bisher lastet zum Beispiel das Betreiben der Bibliotheken in Berlin das Personal vollkommen aus. Ersichtlich ist, dass, zumindest für ein gewisses Level an Leseförderung, solch eine übergreifende Kommunikation nicht notwendig ist.

Dabei hat Berlin mit einem Projekt der Bürgerstiftung eine besondere Form der Leseförderung erhalten. Mit den ehrenamtlichen Lesepatinnen und Lesepaten wurden Freiwillige gesucht, welche sich regelmäßig mit kleinen Gruppen von Kindern treffen, diese beim Lesen fördern und unterstützen sollen. Diese Berlinweit agierenden Freiwilligen nutzen, wenn sie vorhanden sind, Schulbibliotheken zu solchen Treffen. Über Fortbildungskurse der Bürgerstiftung stehen sie untereinander in Kontakt. Trotzdem hat sich dieser Kontakt – mit Ausnahme der von Lesepatinnen betreuten Bibliothek in Schule C – bisher nicht nachweisbar auf die Schulbibliotheken ausgewirkt. [147]

2.2.2 Flexibilisierung des Unterrichts

Eine Erwartung von pädagogischer Seite, die nur selten angesprochen wird, ist die nach einer Flexibilisierung des Unterrichts durch Schulbibliotheken. Damit ist das tendenzielle Auflösen der starren Formen des Lernens gemeint. Es geht dabei vor allem um den relativ eng an die vorhandenen Lehrbücher gebundenen Unterricht. Gerade in den Diskussionen um Ganztagsschulen finden solche Vorstellungen Platz. Dabei wird nur sehr selten an Schulbibliotheken gedacht. So ist zum Beispiel in der Dokumentation des Ganztagschulkongress 2004 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Referat Publikation, Internetredaktion (2005) zwar von unterschiedlichen Projekten und Ansätzen der Lernförderung in Schulen die Rede, aber nicht einmal von Schulbibliotheken. Dies ist bei anderen Texten der Bundes- und Landesregierungen zu den aktuellen Reformen der Bildungssysteme in Deutschland ebenfalls zu beobachten. [148] Dem widerspricht nicht, dass in den Schulen, in denen Bibliotheken vorhanden sind, deren Bestand für andere Unterrichtsformen verwendet wird.

Es stellt sich die im Rahmen dieser Arbeit nicht zu klärende Frage, ob Schulbibliotheken hierbei als besondere Form der Unterrichtsunterstützung anerkannt oder ob sie nur als eine der vielfältigen Unterstützungsangebote angesehen werden. Im letzten Fall würden die Bibliotheken eher von einem größeren Trend der Entschulung der deutschen Schulen profitieren, anstatt, wie von bibliothekarischer Seite angemahnt, eine eigenständige Rolle zu spielen.

Die Ansichten, wie Bibliotheken helfen können den Unterricht zu flexibilisieren, gehen dabei offenbar in zwei Richtungen. Thelen et al. (2000) berichten von der Bibliothek ihres Gymnasiums als Ort der Internetnutzung. Hier treffen sich die bibliothekarischen Vorstellungen von der Bibliothek als Zentrum der Information, wie sie weiter oben diskutiert wurden, mit denen der Lehrenden. Das Internet wird als Informationsmittel neben anderen Medienformen verstanden. Wie schon thematisiert wurde, ist diese Auffassung nicht in allen Schulen anzutreffen. Die meisten unterhalten eigenständige Computerräume. Zusätzlich ist es erklärtes Ziel mehrerer Landesregierung, in jedem Klassenraum mindestens einen Computer mit Internetanschluss zu installieren. [149] Wenn die Schulbibliotheken als Raum verstanden werden sollen, in denen das Internet und andere Medien nebeneinander genutzt werden und in denen über diese Funktion ein veränderter Umgang mit Bildungsinhalten forciert wird, müsste deshalb ein Mehrwert geschaffen werden, welcher vorrangig in Schulbibliotheken zu finden wäre und über die einfache Bereitstellung von Computern hinausgeht. Dabei wäre an die ebenfalls schon diskutierte Funktion der Vermittlung von Informationskompetenzen zu denken, welche den Schulbibliotheken ebenfalls von einigen Pädagogen und Pädagoginnen zugeschrieben wird. Dem ungeachtet existieren, wie schon angedeutet, zumindest in Berlin für diese Aufgabe keine dokumentierten Konzepte.

Die zweite, von einer größeren Zahl Lehrender anerkannte flexibilisierende Funktion sollen Schulbibliotheken durch ihren Bestand erhalten. Dieser könne freier und situationsbezogener als die zugelassenen Schulbücher benutzt werden. Eine solche Nutzung wird nur selten in der Literatur beschrieben, ist aber in allen besuchten Schulbibliotheken in Berlin anzutreffen. Schülerinnen und Schüler werden mit speziellen Aufgaben aus dem Unterricht in die Bibliothek geschickt, um dort Informationen nachzuschlagen. In anderen Fällen wird der Bestand der Bibliothek als Grundlage für Projekte im Klassenverband oder in mehreren Arbeitsgruppen benutzt. Dabei war in einigen älteren Konzepten für Schulbibliotheken vorgesehen, dass die Bibliothek selber zur Vermittlungsagentur für Informationen werden solle. Sie sollte über den eigenen Bestand hinaus Zugriff auf andere Bibliotheken ermöglichen und beispielsweise den Leihverkehr zwischen diesen Bibliotheken und der eigenen Schule ermöglichen. Eine solche Funktion wird heute nicht mehr thematisiert und in den besuchten Einrichtungen überdies nicht abgefragt. [150] Die jeweilige Schulbibliothek wird als autonomer Raum wahrgenommen. Darüber hinaus benötigte Medien müssen über andere Wege beschafft werden. Dies schränkt, gerade aufgrund des oft ungesteuerten Bestandsaufbaus, des fehlenden regelmäßigen Etats und des relativ kleinen Bestandes, die Möglichkeiten der Bibliotheken, diese Anforderung zu erfüllen, stark ein.

Weiterhin beschreiben Thelen et al. (2000) eine erweiterte Funktion der Schulbibliothek im Hinblick auf die Flexibilisierung des Lernens. Diese setzt allerdings eine große Bibliothek voraus. Durch die im beschriebenen Beispiel gegebene Größe ist der Raum gleichzeitig fast ständiger Aufenthaltsraum für einige Lehrende, die auf diese Weise für Schülerinnen und Schüler greifbar werden. Der Text erwähnt, dass vor allem ein Mathe- und ein Deutschlehrer als Experten zu Ansprechpartnern außerhalb des Unterrichts und des geregelten Lehrstoffes wurden. Eine solche Situation beschrieb Spies (2002) in einem Aufsatz zu Wissensmanagement an Schulen. Jedoch ist er einer der wenigen, die eine solche Funktion überhaupt einfordern.

Bei diesen Beispielen fällt auf, dass sie in ähnlicher Form schon in den Diskussionen der 1970er und 1980er Jahre über die Demokratisierung des Unterrichts als Argumente für Schulbibliotheken vorgebracht wurden. Dennoch haben schon diese Darlegungen nicht dazu geführt, dass solche Einrichtungen fest in den Bildungsalltag deutscher Schulen verankert wurden. Dass diese Anforderungen an Schulbibliotheken offensichtlich erfüllt werden können, war bisher nur für einige Lehrerinnen und Lehrer ein Grund, sich für selbige zu engagieren. Ob dies mit der relativ geringen Verbreitung der Idee Schulbibliothek zu erklären ist, kann hier nicht diskutiert werden. Auffällig ist die unterschiedliche Bewertung dieser Möglichkeit. Während Bibliothekarinnen und Bibliothekare Schulbibliotheken als unbedingt notwendig für flexiblere Unterrichtsstrukturen ansehen, ist diese Verbindung für Pädagoginnen und Pädagogen nicht im selben Maße evident.

2.2.3 Zensurenfreier Lernraum

Die Schulbibliothek kann, wie schon thematisiert, als ein Raum angesehen werden, welcher zur Schule als Ganzes gehört, aber dennoch nicht als Unterrichtsplatz wahrgenommen wird. Diese besondere Stellung wird in einigen Projekten und Äußerungen von pädagogischer Seite reflektiert, welche Schulbibliotheken als Raum ansehen, in dem ohne Zensuren und damit ohne Bewertungsdruck gelernt werden kann. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass sich in heutigen Schulen ebenso andere Angebote finden, welche diese Kriterien erfüllen. Inwieweit hier Schulbibliotheken eine besondere Stellung einnehmen, wäre nur in einem größeren Vergleich zu klären.

Im Folgenden werden zwei unterschiedliche Weisen, das Angebot eines zensurenfreien Raumes zu nutzen, diskutiert. Die erste nimmt die Bibliothek als Ort wahr, an dem Schülerinnen und Schüler über den Unterricht hinaus spezielles Wissen akkumulieren und wissenschaftliches Arbeiten erlernen können. Die zweite versteht Schulbibliotheken als Ort schulpädagogischer Arbeit. Hier wird vor allem die Atmosphäre der Bibliothek als Rückzugsraum genutzt.

2.2.3.1 Lernen wissenschaftlicher Arbeitsweisen

In der Vorstellung, dass Schulbibliotheken wissenschaftliche Arbeitsweisen aufzeigen und fördern könnten, treffen sich bibliothekarische und pädagogische Konzepte. Dennoch ist gerade diese Ansicht kaum dokumentiert. In einigen Bundesländern ist, in Vorbereitung auf die Universität, die Arbeit in Bibliotheken für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II vorgesehen. Hierzu liegen mehrere Berichte vor, die den Umgang wissenschaftlicher Bibliotheken mit diesen Lernenden beschreiben. Äquivalente Texte zum Umgang in Schulbibliotheken lassen sich nicht finden. Eine Vermutung wäre, dass auch Schülerinnen und Schüler, die auf schuleigene Bibliotheken zugreifen könnten, zur Bewältigung der ihnen gestellten Aufgaben größere Bibliotheken aufsuchen. Dann wäre zu fragen, welche Bedeutung Schulbibliotheken für das Erlernen wissenschaftlicher Arbeitsweisen tatsächlich spielen.

Dieser nicht vorhandenen Beachtung in Publikationen steht der empirische Fakt gegenüber, dass die meisten Schulbibliotheken in Berlin in Gymnasien existieren, also in Einrichtungen, in denen auf eine wissenschaftliche Ausbildung hin unterricht wird. Auch wenn nicht alle Abiturientinnen und Abiturienten nach ihrer Schulzeit eine Universität besuchen, sollen sie doch befähigt werden, dies zu tun. Zudem sind die meisten Schulbibliotheken aus dem Engagement von Lehrerinnen und Lehrern entstanden. Dies lässt vermuten, dass diesen Einrichtungen eine für den Schulalltag wichtige Aufgabe zugesprochen wird. Hier wäre eine größer angelegte empirische Untersuchung notwendig. In Berlin finden sich zu wenige Gymnasien mit Schulbibliotheken, um eine verwertbare allgemeine Aussage zu den ihnen zugedachten Aufgaben zu treffen. Es ist anzunehmen, dass diese nicht alleine die Leseförderung, sondern ebenso das wissenschaftlichen Arbeiten beinhalteten.

Außerdem wäre zu erwarten, dass sich eine solche Vorstellung vor allem in Schulen entwickeln kann, deren Bibliotheken einen Bestand bieten, welcher wissenschaftliches Arbeiten ermöglichen würde. Dies ist in den wenigsten Schulbibliotheken gegeben. Sollte diese Nutzung zusätzlich außerhalb der täglichen Schulstunden erfolgen, müssten die Schulbibliotheken zu dieser Zeit geöffnet sein. Mit Blick auf die internationale Situation lässt sich konstatieren, dass zum Beispiel in den USA, Kanada und Australien personell und vom Bestand her gut ausgestattete Bibliotheken fernerhin zum wissenschaftlichen Arbeiten genutzt werden. [151] Im Rahmen der hier vorgelegten Arbeit scheint es nicht möglich zu verifizieren, inwieweit von pädagogischer Seite wissenschaftliches Arbeiten als Möglichkeit einer Schulbibliothek betrachtet wird.

2.2.3.2 Die Schulbibliothek als sozialpädagogischer Raum

Eine andere Vorstellung, wie Schulbibliotheken als zensurenfreie Lehrräume genutzt werden können, erinnert an die soziale Bibliotheksarbeit. Hierbei sollen spezifische Gruppen, die aufgrund ihrer sozialen Lage benachteiligt sind, gefördert werden. [152] Dagegen lässt sich kein aktueller Text finden, in dem eine direkte Verbindung zwischen dieser Form der Bibliotheksnutzung und Schulbibliotheken gezogen würde.

In Schulen geht es bei dieser Förderung vorrangig um die Lesekompetenz, teilweise zusätzlich um den Sprachgebrauch. In Berlin finden sich, wie schon erwähnt, in zahlreichen Schulen Lesepaten und -patinnen, deren Aufgabe vor allem in der Förderung von leseschwachen Lernenden besteht. Dazu existieren unterschiedliche Konzepte. An einige Schulen wurden eher größere Gruppen gebildet, die neben dem Lesenüben literarische Veranstaltungen organisieren. An anderen, vorrangig sogenannten Brennpunktschulen, wurden den einzelnen Patinnen und Paten drei bis vier Kinder zugeteilt, welche mindestens einmal in der Woche betreut werden sollen. [153] Mindestens eine Schulbibliothek wurde direkt von Lesepatinnen wieder reaktiviert. Dabei werden ähnliche Einrichtungen, soweit dies von der räumlichen Ausstattung her möglich ist, als Orte dieser Treffen genutzt. In vielen stehen besondere Regale mit Literatur für diese Formen der außerunterrichtlichen Leseförderung. [154]

In einer Grundschule in Berlin wird, wie ebenfalls schon besprochen wurde, versucht, die Schulbibliothek zusätzlich als Ort der Sprachförderung zu nutzen. Die dort veranstalteten wöchentlichen Lesungen mit und aus Bilderbüchern werden explizit in Türkisch und Deutsch gehalten. Die beiden Betreuerinnen betonten im Gespräch, dass mangelnde Sprachbeherrschung dabei nicht nur bei Kindern aus Familien mit migrantischem Hintergrund zu finden ist und dass sie ebenso nicht auf eine mono- oder bilingualen Erziehung zurückzuführen sei. Es gebe Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund, welche ein schlechtes Deutsch sprächen, als auch Kinder, die gutes Deutsch und gutes Türkisch beherrschten. [155] Die fehlende Sprachbeherrschung sei vor allem ein aus schlechten ökonomischen Verhältnissen herrührendes Problem. Die Bilderbuchkinos sollen in diesem Rahmen die Möglichkeit eines freien Sprachgebrauchs schaffen.

An derselben Schule wird versucht, vorrangig durch Aushänge, den Eltern dabei zu helfen, ihre Kinder zu guten Leserinnen und Lesern zu bilden. Weitergedacht könnte diese Bibliotheksarbeit zu einer Form werden, welche Heritage (2004) für die USA beschreibt. Sie stellte Schulbibliotheken vor, welche einen relevanten Bestand von zweisprachigen Büchern mit leichtem Leseniveau angeschafft haben. Die durch Erfolgsmeldungen untermauerte Idee hinter solchen Sonderbeständen ist, dass Eltern diese Bücher mit ihren Kindern zusammen lesen und damit die Lesefähigkeit der gesamten Familie erhöht würde. Dabei sei es für die Eltern einfacher, den Kindern in ihrer Lektüre zu folgen, wenn sie dies in ihrer ersten Sprache tun können. [156] Für Deutschland ist ein solches Konzept nicht dokumentiert.

Eine andere Form von sozialer Arbeit im Lernraum Schulbibliothek ist in der Einbeziehung von Schülerinnen und Schüler in den Betrieb der Einrichtung zu sehen. Dabei wird die erzieherische Funktion selten betont. Zu finden waren solche engagierten Kinder und Jugendlichen dennoch in fast allen besuchten Bibliotheken. Ihre Mitarbeit reichte von der Hilfe beim Einsortieren und der Ausleihe, bis hin zum eigenständigen Betrieb der Bibliothek an einzelnen Tagen. Neumann (1989) erwähnte die Möglichkeit, dass Lernende durch diese Arbeit ihre Selbstständigkeit ausbilden könnten. Dem stimmte Mengel (1994) zu. Allerdings fehlt es offensichtlich an einem Konzept, was genau an Selbstständigkeiten gelernt werden kann und wie dies geschehen soll. Die erhöhte soziale Verantwortung und Selbstständigkeit, die für diese Schülerinnen und Schüler postuliert wird, ist heutzutage offensichtlich ein Zufallsprodukt. Zumindest wird sie nicht systematisch herbeigeführt und gefördert. Durch die erneuten Diskussionen um Ganztagsschulen und die PISA-Studien könnten sich neue Ansatzpunkte ergeben, weiter über diese Möglichkeiten des Lernens von sozialer Kompetenz außerhalb des Unterrichts nachzudenken. [157]

2.2.4 Desiderate

2.2.4.1 Unterricht von Nicht-Sprachenfächern mithilfe der Schulbibliothek

Schulbibliotheken werden zumeist von Lehrenden des Fachbereiches Deutsch oder anderer Sprachfachbereiche genutzt und unterstützt. Dies ist folgerichtig, solange sie vorrangig als Orte der Leseförderung begriffen werden und die Leseförderung wiederum als Aufgabe der Sprachenfächer.

Andererseits sind Schulbibliotheken bisher oft daran gescheitert, für Pädagoginnen und Pädagogen der anderen Fächer interessant zu werden. Während im Kunst-, Musik-, Lebenskunde-, Religions- und Ethikunterricht in Einzelfällen auf die Bibliotheken zurückgegriffen wird, ist das in den naturwissenschaftlichen Fächern nicht der Fall. Dies bleibt für Deutschland ein Desiderat. Zwar erwähnen einige Texte, dass Schulbibliotheken im gesamten Schulalltag genutzt werden könnten, doch es finden sich keine Ausführungen, wie diese Nutzung aussehen soll. Einzig der Hinweis, dass bei aufkommenden Fragen spontan die Bibliothek genutzt werden könne, ist in dieser Hinsicht zu deuten. Die beschriebenen Projekte für Schulbibliotheken sind nur sehr selten keine Leseprojekte. Es bleibt offen, ob und wie sich Pädagoginnen und Pädagogen die Nutzung der Schulbibliothek für jeden Fachunterricht vorstellen sollen.

Favorisiert werden die Erstellung von Ausstellungen und ähnlichen Materialien. Die Arbeiten dazu sollen fächerübergreifend erfolgen. Es ist hingegen zu fragen, ob damit schon eine Nutzung vorgeschlagen ist, welche vor allem Lehrkräfte naturwissenschaftlicher Fachbereiche zur Unterstützung und Nutzung von Schulbibliotheken anregen kann. Dabei ist es nicht so, dass bei diesen solche Einrichtungen auf deutliche Ablehnung stoßen würden. Vielmehr wird scheinbar deren Existenz zumeist einfach ignoriert. [158]

Ein Blick in die schulbibliothekarische Praxis anderer Staaten könnte Anregungen für solche Nutzungsformen geben können. Zumindest wird in Texten aus anderen Staaten über größere Bestände für Naturwissenschaften, Kunst, Musik und alle anderen unterrichteten Fächer in den jeweiligen Schulbibliotheken berichtet. Eventuell würden sich durch solche Bestände – und einer Umstellung der Inhalte der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer – Anforderungen auch aus diesen Bereichen an Schulbibliotheken ergeben. Denkbar wäre außerdem, dass Schulbibliotheken mit inner- und außerschulischen Einrichtungen zusammenarbeiten könnten, um ihre Fähigkeiten darzustellen. Campbell (2005) thematisiert diese Möglichkeit vorrangig im Bezug auf das Fach Geschichte für US-amerikanische Schulbibliotheken. In Berlin lässt sich dies ansatzweise in drei der besuchten Schule beobachten. [159] Die für alle Schulfächer vorhandenen Bestände animierten zumindest zum Teil eine Vielzahl von Fachlehrern und -lehrerinnen, die Bibliothek zu nutzen. Ein darauf abgestimmtes Konzept existiert allerdings nirgends.

2.2.4.2 Unterstützung der Lehrenden

Schulbibliotheken scheinen allein für Schülerinnen und Schüler betrieben zu werden. Dabei würde eine funktionierende Bibliothek ebenso die Möglichkeit bieten, Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Arbeit zu unterstützen. Unter Umständen würde sich durch bibliothekarisches Personal und eine abgesicherte Stellung von Schulbibliotheken diese Situation ändern. Dieses Personal, welches die Einrichtung eher als Bibliothek im Rahmen des gesamten Bibliothekssystems verstehen würde und nicht – wie die meisten engagierten Lehrenden – vorrangig als Unterstützungsangebot der Schule, könnte weiterreichende Konzepte in diesem Bereich entwerfen. So wäre der Bezug von pädagogischen Zeitschriften möglich, ebenso ein zentrales Angebot von Current Contents pädagogischer Publikationen oder das Angebot fachlich relevanter Datenbanken. Über Schulbibliotheken könnten außerdem Dokumentenlieferungen veranlasst werden. Im Rahmen einer gezielten Bestandsentwicklung könnten für die Lehrenden die Angebote der Lehrmedien beobachtet und somit auf Trends und Entwicklungen hingewiesen werden.

Rudimentär existieren dagegen heute in zahlreichen Schulräumen für Lehrerinnen und Lehrer eher zufällig zusammengetragene Bestände pädagogischer Fachliteratur. Dies scheinen oft die einzigen angebotenen schulinternen Mittel zur Fortbildung der pädagogischen Kräfte zu sein.

Es hängt offensichtlich von der Vorstellung, was eine Schulbibliothek sein soll, ab, ob überhaupt in den Blick geraten kann, dass Lehrende für ihre berufliche Weiterentwicklung und Fachkommunikation von diesen profitieren könnten. Konzepte und Ansätze ließen sich in den ausgewerteten Publikationen dazu nicht finden.

2.3 Lernende und Eltern

Die Hauptklientel aller Schulbibliotheken sind Schülerinnen und Schüler. Das ist unbestritten, dennoch sind deren Vorstellungen, Anforderungen und Wünsche in der Literatur kaum repräsentiert. Im Folgenden kann deshalb keine systematische Aufstellung dieser Anforderungen erfolgen. Sie bleiben ein Desiderat. Hier können nur einige Ansätze der Evaluation der Vorstellungen von Lernenden sowie ein kurzer Abriss über die in den besuchten Schulbibliotheken beobachteten Nutzungs- und Verhaltsweisen referiert werden. [160] Es ist signifikant, dass in der Literatur zu Schulbibliotheken zwar Texte über deren Auf- und Ausbau, über Zielvorstellungen und über zahlreiche Projekte zu finden sind, der alltägliche Betrieb, welcher den Großteil der Arbeit einer funktionierenden Bibliothek einnimmt, dagegen so gut wie nie dargestellt wird. Solche Darstellungen würden ermöglichen, zumindest ein generelles Bild von den Vorstellungen der die Bibliotheken nutzenden Schülerinnen und Schüler zu zeichnen.

Noch weniger sind die Interessen und Vorstellungen von Eltern in der Literatur vorhanden. Das ist aus zwei Gründen auffällig. Zum einen wird in der englischsprachigen Literatur desöfteren über das Verhältnis von Schulbibliotheken und Eltern nachgedacht. Dies bezieht sich auf die Unterstützung der Bibliothek durch Eltern und auf die Kritik an bestimmten Beständen, welche die Eltern ihren Kindern nicht zugänglich sehen wollen. Obwohl die Zahl der Schulbibliotheken in Deutschland kleiner ist, wären zumindest in einigen Fällen solche positiven oder negativen Beziehungen zu erwarten. Zum anderen sind Eltern in vielen Schulen direkt oder indirekt zur Unterstützung der jeweiligen Bibliotheken angehalten. In vielen Fällen bieten die Bibliotheken zudem ein Argument der Schulen, um für sich bei den Eltern darum zu werben, dass diese ihre Kinder in jener Einrichtung anmelden. So unterstützen in einer Berliner Schule Eltern die Bibliothek mit fünf Euro pro Jahr und Kind. Dies wurde einstimmig auf der Elternkonferenz beschlossen. [161] In anderen Schulen helfen Eltern in der Bibliothek aus, spenden für neu zu kaufende Medien oder beteiligen sich an Aktionen, welche Spenden für die Ausstattung und den Bestand erbringen sollen. Insoweit sind zumindest einige Eltern an den Bibliotheken beteiligt. Andere haben eine Vorstellung davon, dass Schulbibliotheken eine Einrichtung sind, die sie unterstützen oder wegen der sie ihre Kinder eine spezifische Schule besuchen lassen.

Dennoch wäre zu dieser Frage zuvörderst eine breit angelegte Untersuchung erforderlich. Es existieren bisher keine Ansätze, um die Bedürfnisse und Erwartungen von Eltern zu erfassen oder die Kontakte zwischen Eltern und Schulbibliothek zu intensivieren. Deshalb könnte das Ziel einer weitergehenden Arbeit, neben der einmaligen Evaluation elterlicher Anforderungen, die Schaffung von durch die einzelnen Bibliotheken, Kommunen oder Länder selbstständig zu nutzenden Instrumenten zur Erfassung solcher Vorstellungen sein.

2.3.1 Modelle der Befragung, Partizipation und Analyse

Eine regelmäßige Evaluation der Wünsche und Vorstellung der Schülerinnen und Schüler ist in keinem der Grundlagentexte zu Schulbibliotheken vorgesehen. Dabei könnte eine solche kontinuierliche Befragung Informationen liefern, die helfen könnten, die einzelnen Bibliotheken attraktiver und für die erstrebten Lernerfolge produktiver zu machen. Nicht zuletzt könnten mit schulweit anzuwenden Instrumenten Gründe für das Nichtbenutzen von Schulbibliotheken durch Schülerinnen und Schüler eruiert werden. Dies könnte zu Umgestaltungen animieren, welche die Bibliotheken zumindest für einen Teil von ihnen annehmbar machen würden.

Dabei gelten Schulbibliotheken in den pädagogischen und den bibliothekarischen Vorstellungen als Lehrinstrumente. Sie können deshalb nicht beliebig den Wünschen der Schülerinnen und Schüler untergeordnet werden. Ein nahezu kompletter Ausschluss der teilweise einzigen Gruppe von Nutzerinnen und Nutzern aus den Planungen der Bibliothek ist gleichwohl unverständlich. Neben den fehlenden Instrumenten sind zur Erklärung dieser Situation zwei weitere Gründe denkbar. In Bibliotheken, die auf einen eigenen Etat verzichten müssen und deren Bestand vorrangig aus gespendeten Büchern besteht, mag der Spielraum für Entscheidungen zu klein sein als das an eine Beteiligung der Schülerinnen und Schüler in größerem Maße gedacht werden kann. Der zweite Grund könnte die fehlende Arbeitszeit des Personals der Schulbibliotheken sein.

Paul und Rabe (2005a), welche als einzige in den letzten Jahren von einer größeren Nutzerinnen- und Nutzerbefragung in einer deutschen Schulbibliothek berichten, führen diesen zweiten Punkt an. Die von ihnen durchgeführte Befragung konnte nur im Rahmen einer Diplomarbeit stattfinden. Im alltäglichen Bibliotheksbetrieb sei dies aus personellen und zeitlichen Gründen nicht möglich.

Die Autorinnen erarbeiteten für eine niedersächsische Schulbibliothek eine Befragung. Sie ließen diese einen Pretest durchlaufen. Anschließend codierten und werteten sie die Ergebnisse mithilfe des Statistikprogramms SPSS aus. Diese wissenschaftliche Vorgehensweise zeigt ein weiteres Problem auf: das Personal in Schulbibliotheken wird in seiner Ausbildung auf solche Arbeiten nur selten vorbereitet. Ein Pretest, welcher bei jeder sozialwissenschaftlichen Umfrage vor die eigentliche Befragung zu schalten ist, ist den meisten Menschen als Methode unbekannt. Ebenso wird der effiziente Umgang mit SPSS und ähnlichen Programmen in der sozialwissenschaftlichen Ausbildung über einen Zeitraum von zwei oder mehr Semestern erlernt. [162] Obwohl hierzu zahlreiche Anleitungen existieren, ist doch fragwürdig, ob die effiziente Anwendung des Programms vom Personal einer Schulbibliothek verlangt werden kann.

Dennoch ergab die einmalig durchgeführte Umfrage Ergebnisse, welche zur Umgestaltung der betroffenen Bibliothek genutzt werden konnten. Im Abschluss bewerten die Autorinnen den Effekt der Umfrage positiv. Daraus lassen sich allerdings noch keine Aussagen über das Verhältnis von Aufwand und Nutzen sowie über den möglichen Nutzen einer kontinuierlichen Befragung treffen. In der Diplomarbeit von Paul und Rabe (2005b), auf welcher der Artikel basiert, gibt es dafür nur ungefähre Überlegungen. Hier ist die Umfrage Teil eines Marketingkonzeptes für die Schulbibliothek, dessen Fortführung allerdings auf der Arbeit von Praktikantinnen und Praktikanten basieren soll. Dies ist für die meisten Schulbibliotheken nicht möglich. [163]

Kargl (2002) berichtet über eine viel kleiner angelegte Umfrage in einer Schulbücherei, welche die Vorlieben der Kinder und Jugendlichen erfragte und ebenso als Marketinginstrument innerhalb der Schule wirkte. Hierbei wurden zu einzelnen Büchern Fragebögen verteilt, deren Auswertung auf die Neigungen der Schülerinnen und Schüler zurückschließen ließ. Durch klassenweise durchgeführte Rätsel in und über die Bibliothek konnte festgestellt werden, wie diese wahrgenommen wird. Gleichzeitig erhöhte diese Aktion im Klassenverband die Akzeptanz der Bibliothek. Als ein Effekt werden gestiegene Ausleihzahlen vermerkt.

Hubbe (2005) stellt in ihrem Master’s Paper das Modell einer vergleichenden Befragung in unterschiedlichen Bibliotheken vor. Dabei ist ihre Fragestellung, ob kombinierte Schul- und Öffentliche Bibliotheken gegenüber einfachen Schulbibliotheken einen positiven Effekt auf die Lesefähigkeit von Kindern und Jugendlichen haben, angesichts der geringen Zahl von kombinierten Bibliotheken an deutschen Schulen eher zweitrangig. [164] Interessanter ist die Vorgehensweise. Sie besuchte zwei in der sozio-ökonomischen Stellung der Schülerinnen und Schüler sowie der Infrastruktur vergleichbare Schulen. Dort verteilte sie einmal in der schulinternen Bibliothek und einmal in der anderen Schule in der kombinierten Schul- und Öffentlichen Bibliothek über einen Zeitraum von je drei Tagen an alle Lernenden die gleichen Fragebögen. Durch dieses Vorgehen waren die Ergebnisse miteinander vergleichbar. Eine solche Arbeit könnte in deutschen Schulbibliotheken einerseits den einzelnen Einrichtungen zu Gute kommen und andererseits vergleichbare empirische Daten für die wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen generieren. Bisher müssen diese aufgrund fehlender Daten aufgrund von Schätzungen und Vermutungen geführt werden.

Eine weitere Form, die Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern in die Entscheidungen der Bibliothek zu integrieren, stellt die schon unter den sozialpädagogischen Aspekten betrachtete Beteiligung von Lernenden an der Bibliotheksarbeit dar. Diese kann, wenn sie ernst genommen wird, die Ausrichtung und den Bestandsaufbau beeinflussen. Dagegen ist es mit einigen Schwierigkeiten behaftet, diesen Helfenden eine repräsentative Funktion für alle Lernenden zuzuweisen. Es finden sich in der Literatur keine genaueren Überlegungen zu diesem Einfluss. Systematisch wird er anscheinend nicht genutzt.

Eine weitere, in allen Bibliotheken praktizierte Form, die Anforderungen der Schülerinnen und Schüler zu evaluieren, besteht in der Beobachtung des alltäglichen Betriebes. Hierzu gibt es ebenfalls keine systematisierende Literatur. In einigen Bibliotheken ist es für Schülerinnen und Schüler möglich, direkte Wünsche zu äußern. In den Einrichtungen, welche mit einem eigenen Etat ausgestattet sind, versucht das Personal die durch den Kontakt mit den Lehrenden und Lernenden festgestellten Nutzungstendenzen im Bestandsaufbau zu reflektieren. Diese Art der Evaluierung ist gänzlich auf die Wahrnehmungen des Personals angewiesen. Nur eine besuchte Bibliothek hatte zum Beispiel ein Verwaltungsprogramm, mit dem sie die Ausleihen statistisch erfassen konnte. [165] Andere Einrichtungen führen keine Statistik.

Thelen et al. (2000) berichten davon, dass die Schülerinnen und Schüler bestimmte Teilbestände und Medienformen bevorzugt nutzen. Es ist davon auszugehen, dass diese Bestände, wenn sie schon als intensiv benutzt wahrgenommen werden, verstärkt ausgebaut werden. Für die USA liegt mit der Arbeit von Heritage (2004) eine Reflektion über die Formen und Möglichkeiten des Readers’ Advisory Interview in Elementary School Library Media Centers vor, die für Schulbibliotheken in Deutschland produktiv gemacht werden könnten. Dazu müssten Bestrebungen existieren, die aus solchen Gesprächen gewonnenen Erkenntnisse über die Wünsche und Interessen von Lernenden für die Entwicklung von Schulbibliotheken und deren Beständen zu benutzen.

Fleischhauer (1998) stellt für die von ihr betriebene Bibliothek vor allem eine hybride Funktion fest. Zum einen berichtet sie von direkten Nachfragen nach genauen Informationen, gleichzeitig stellt sie die Funktion des Ortes als Aufenthalts- und Kommunikationsraum heraus. Dies stimmt mit den in Berlin gemachten Beobachtungen überein. Wenn die Bibliotheken dafür ausgestattet waren, nahmen die Schüler und Schülerinnen diese als eines der schulischen Angebote wahr, die sie nutzen können, um ihre freie Zeit zu verbringen. Nur ein kleiner Teil nutzte die Einrichtungen primär, um sich Literatur zu besorgen oder in der Bibliothek zu arbeiten. [166] Das bedeutet nicht, dass die Bestände nicht in Benutzung wären. Es wurde gleichwohl klar, das Schülerinnen und Schüler wenige Anforderungen an die vorhandenen Medien stellten. Eine Bibliothekarin bemerkte, dass die meisten Fragen sich auf konkrete Informationen bezögen, von denen die Jugendlichen erwarteten, sie sofort und präzise durch das Personal der Bibliothek beantwortet zu bekommen. Über den dazu nötigen Bestand würde sich dabei keine Sorge gemacht. In Grundschulen nutzten die Lernenden die Bücher in ihrer Pausenkommunikation. Dabei ging es vorrangig um belletristische Texte. Eine Nutzung der Bibliothek als Informationszentrum, wie es bibliothekarische Publikationen als Ziel der Bibliotheksentwicklung darstellen, war kaum zu beobachten.

Das sich durch eine bessere Einbindung der Bibliotheken in den Unterrichtsprozess oder eine kontinuierliche Bibliotheksschulung diese Einstellung der Kinder und Jugendlichen ändern würde, kann zwar vermutet, hier indes – nicht zuletzt wegen fehlender Daten – nicht weiter diskutiert werden. Fakt ist, dass trotz der Erfahrungswerte einiger Angestellter in Bibliotheken bisher relativ ungeklärt ist, wie Schülerinnen und Schüler ihre Schulbibliotheken wahrnehmen, was sie von ihnen erwarten und wie sie sie nutzen. Hier würden sich weiterreichende Untersuchungen lohnen.

2.3.2 Arbeitsmarkteinstieg und alltagspraktische Hilfe

Ein sich in einigen Beständen widerspiegelnder, zu vermutender Anspruch von Jugendlichen an Schulbibliotheken stellt die Hilfe beim Einstieg in den Arbeitsmarkt dar. Dies ist nicht in allen Bibliotheken möglich. Zumeist beschränkt sich die Hilfe hierbei auf die Sammlung einiger Broschüren. Eine Zusammenarbeit, beispielsweise mit der Agentur für Arbeit, ist nicht vorgesehen. Dabei ist bei Schülerinnen und Schülern zu registrieren, dass sie die Bibliothek nicht nur für die Bewältigung des Unterrichts verwenden wollen. Sie wird als Magazin für die Freizeitlektüre genutzt und es wird versucht, durch sie über den Unterricht hinausgehende Fragen zu beantworten. Einige Interviewpartnerinnen erwähnten, dass es manchmal schwer sei, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, wieso die Bibliothek nur zu bestimmten Gebieten einen Bestand bieten könne.

Obwohl sich die Bereiche Arbeitsmarkt und Unterstützung im Alltag aufdrängen und offenbar immer wieder neu von den Lernenden nachgefragt werden, wird diese Funktion kaum reflektiert und schlägt sich nur in einer der besuchten Berliner Schulen im relevanten Maße im Bestand nieder.

2.4 Politik

Politische Institutionen treten in Deutschland so gut wie nie an Schulbibliotheken heran. Nichtsdestoweniger werden in den politischen Diskursen Forderungen erhoben, für die in anderen Staaten unter anderem Schulbibliotheken als verantwortlich angesehen werden. In diesem Abschnitt soll reflektiert werden, ob solchen Anforderungen in deutschen Schulbibliotheken ohne einen direkten Auftrag entsprochen werden könnte.

2.4.1 Zukunftsfähigkeit und internationaler Wettbewerb

Gerade im Rahmen der Diskussion der PISA-Studien und in den Auseinandersetzungen um die so genannte Green-Card-Initiative der Bundesregierung im Jahr 2000 wurden in der deutschen Politik Positionen vertreten, welche die Zukunft Deutschlands im internationalen Wettbewerb nur durch eine verbesserte Bildung als gesichert ansehen. Dabei wurden und werden verschiedene Vorstellungen geäußert, was eine solche Bildung leisten soll und mit welchen Konzepten diese Vorgaben erreicht werden könnten.

Eine der Hauptargumentationsrichtungen zielte auf die Verbesserung der PISA-Ergebnisse. Schülerinnen und Schüler in deutschen Schulen sollten, so die Vorstellung, besonders die Fähigkeiten erlangen, welche von den Studien abgefragt würden. Dabei wurde vorausgesetzt, dass diese die für die Kinder und Jugendlichen im späteren Lebensverlauf notwendigen Fähigkeiten darstellen würden. Ob dem vollständig oder teilweise zugestimmt werden kann, ist eine oft diskutierte Frage. [167] Fakt ist, dass in diesen Diskussionen Schulbibliotheken kaum thematisiert wurden. Dagegen äußerte sich eine Anzahl von bibliothekarischen Institutionen, zum Beispiel die DBV-Expertengruppe Kinder- und Jugendbibliotheken (2004b), in diesem Sinne.

Eine andere politische Argumentationslinie, welche auf Schulbibliotheken bezogen werden könnte, kulminiert in Forderungen nach einer Computerisierung der Schulen und der Ausbildung der Schülerinnen und Schüler in deren Handhabung, inklusive der sinnvollen Nutzung des Internets. Ballenthin (2003) postulierte im Schlusswort ihrer Diplomarbeit, dass gerade Schulbibliotheken diese Aufgabe übernehmen könnten. Dagegen fanden, wie schon erwähnt, die meisten Schulen zu Lösungen, um den Lernenden den Umgang mit Computern zu ermöglichen, ohne dabei auf Bibliotheken zurückzugreifen. Dies geht seit Jahren mit der Kritik einher, dass Kinder und Jugendliche durch die Nutzung des Internet glauben würden, auf Bücher verzichten zu können. Insoweit fanden sich in den Interviews, die in den besuchten Schulbibliotheken geführt wurden, Ansichten, die Schulbibliotheken als Ausgleich für dieses wahrgenommene Missverhältnis ansehen. Dabei gibt es mindestens zwei Argumentationslinien. Die eine, vor allem in bibliothekarischen Texten verbreitete, insistiert darauf, dass Bibliotheken neben gedruckten und nicht gedruckten Medien Rechner zur Verfügung stellen müssten, um einen ausgeglichen Medienmix zu ermöglichen. Die andere will Büchereien als computerfreie Räume sehen, in denen die Kinder und Jugendlichen gezwungen sind, sich mit anderen Medien zu beschäftigen. Dass in 45 der 55 nachgewiesenen Schulbibliotheken in Berlin keine Computer für Schülerinnen und Schüler gefunden wurden, kann darauf hindeuten, dass in der Praxis der zweiten Argumentation gefolgt wird. [168]

Schulbibliotheken, so wurde in zahlreichen Texten argumentiert, könnten zu besseren Lernergebnissen führen. Diese Vorstellungen sind bisher für die Situation in Deutschland weder belegt noch widerlegt worden. Die Politik hat sich in den letzten Jahren nicht in größerem Maße auf diese Ansicht bezogen. Zwar gab es in einigen Bundesländern ministerielle Unterstützung für Schulbibliotheken, außerdem wurde in eine Anzahl von Lehrplänen der Umgang mit Bibliotheken aufgenommen. Aber in Debatten über die zukünftige Ausrichtung der Bildungseinrichtungen in Deutschland können keine direkten Forderungen an Schulbibliotheken gefunden werden.

Eine Diskussion der Gründe dafür kann nicht Teil dieser Arbeit sein. Es ist in diesem Zusammenhang auffällig, dass vorrangig in Staaten mit ausgebauten schulbibliothekarischen Institutionen und existierenden Fachverbänden Bezugnahmen politischer Akteure auf Schulbibliotheken nachgewiesen werden können.

2.4.2 Demokratische Teilhabe, freie Meinungsäußerung und Informationskompetenz

Dass das politische System Deutschlands als parlamentarische Demokratie der aktiven Mitarbeit eines großen Teils der Bevölkerung bedarf, ist unter den wichtigen politischen Akteuren Konsens. Davon zeugen Aufrufe zur Wahlteilnahme, die steuerlichen und gesetzlichen Begünstigungen gesellschaftlicher Aktivitäten sowie unterschiedliche Fördertöpfe der Kommunen, Länder, des Bundes und der Europäischen Union, für Projekte und Initiativen, die zur demokratischen Teilhabe an der Gesellschaft beitragen sollen. Vor allem in Texten im Rahmen der Bildungsdiskussionen der 1970er und 1980er Jahre finden sich Hinweise darauf, dass Schulbibliotheken dazu beitragen könnten, Schülerinnen und Schüler zu selbstverantwortlichem politischen Handeln zu animieren. Der freie oder auch zielgerichtete Umgang mit Informationen, das selbstständige Arbeiten in der Schulbibliothek und zahlreiche Projekte in deren Rahmen – so die damals vertretene These – könnten zu einer weiteren Demokratisierung der Gesellschaft beitragen. Diese Überzeugung wird heutzutage in den Darstellungen zu deutschen Schulbibliotheken seltener vertreten. [169] Dafür lassen sie sich in anderen Staaten wieder finden. Han (2005) beschreibt, wie sich in Süd-Korea verschiedene Nicht-Regierungs-Organisationen für Schulbibliotheken stark machten, weil diese zu einer Partizipation an demokratischen Institutionen führen könnten. [170]

Es finden sich für Deutschland wieder keine direkten Anfragen an Schulbibliotheken durch politische Akteure, sondern nur die theoretische Möglichkeit, dass die zahlreich formulierten Vorstellungen einer gesellschaftlichen Teilhabe von engagierten Schülerinnen und Schülern auch durch Schulbibliotheken befördert werden könnte. Dabei muss bedacht werden, dass heutzutage die selbstverständliche Beherrschung unterschiedlicher Medien als Vorraussetzung für eine effektive Teilhabe an der Gesellschaft betrachtet wird. Vor allem das Internet hätte zu neuen Möglichkeiten eines demokratischen Diskurses geführt, an dem freilich nur die Bürgerinnen und Bürger partizipieren können, welche sowohl auf die dafür nötigen technischen Hilfsmittel zugreifen könnten und die notwendigen Fähigkeiten dafür erlangt hätten. [171] Von bibliothekarischer Seite wird dabei die Meinung vertreten, dass Schulbibliotheken ein vorrangiger Lernort für diese Fähigkeiten, insbesondere der Informations- und Medienkompetenz, sein könnten. Dies wird im politischen Diskurs gar nicht und in der schulbibliothekarischen Praxis in Berlin kaum reflektiert.

2.4.3 Integration, nationales Selbstverständnis und ethnische Selbstständigkeit

Haycock (2003) thematisiert in seiner Studie zum Zustand kanadischer Schulbibliotheken unter anderem deren Funktion, Schülerinnen und Schülern die Integration in die kanadische Gesellschaft zu erleichtern. Schulbibliotheken würden auf der einen Seite Informationen über die Geschichte, die Gesellschaft und die politische Struktur Kanadas zur Verfügung stellen, mithilfe deren Lernende mit Migrationshintergrund sich besser in ihrem Leben in Kanada zurecht finden könnten. Auf der anderen Seite würden Schulbibliotheken beim Erlernen und Verbessern des Englischen und Französischen helfen und somit zur besseren Integration beitragen. Für Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund wiederum würden Schulbibliotheken, richtig genutzt, die Möglichkeit bieten, mehr über das Leben außerhalb Kanadas zu erfahren und somit die Realität einer zusammenwachsenden Welt zu akzeptieren. Dass immer weniger professionell betreute Bibliotheken an kanadischen Schulen existieren, sieht der Autor deshalb als Bedrohung der Integrationsfähigkeit dieses Landes an.

Die Situation in Deutschland und Kanada ist nicht vollständig gleichzusetzen. Während Kanada sich, trotz aller politischen Richtungsänderungen und den Auseinandersetzungen um die Stellung der Provinz Quebec, immer als Einwanderungsland verstanden hat, war dies in Deutschland lange Zeit nicht der Fall. Gerade im politischen Diskurs herrschte Jahrzehnte die Vorstellung vor, dass die meisten Migrantinnen und Migranten Deutschland nach einer Zeit der Arbeitstätigkeit wieder verlassen würden. Deshalb bestanden die Grundzüge der Bibliothekspolitik für diese Gruppen oft darin, ihnen einen engen Kontakt zu ihrem Herkunftsland zu ermöglichen. Erst in den letzten Jahren, vor allem seit der Regierung aus SPD und Grünen 1998 bis 2005, setzte sich nahezu im gesamten politischen Diskurs die Erkenntnis durch, dass Deutschland ebenso als Einwanderungsland zu betrachten ist.

Dem folgend werden aktuell verschiedene Einrichtungen dafür verantwortlich gemacht die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in die deutsche Gesellschaft zu ermöglichen. Unter anderem werden dabei Schulen angesprochen. Dabei ist zwischen den politischen Akteuren nicht ausgehandelt, wie diese Integration aussehen soll und welche Ziele mit ihr verfolgt werden. Folgt man Haycocks Vorstellung, so wären ebenso Schulbibliotheken in Deutschland dafür verantwortlich, dass diese Integration gelingen könnte. Zumal ihnen oft die Verbesserung der Lesefähigkeit als Aufgabe gestellt wird. Dennoch lässt sich eine solche Anforderung nicht auffinden. Obwohl eine der besuchten Schulen in Berlin praktisch durch ihre Arbeit mit Kindern mit türkischem Migrationshintergrund integrative Arbeit leistet, hat sich dies nicht aus politischen Anforderungen, sondern aus der Situation in der betroffenen Schule ergeben. In keiner der besuchten Schulen ist bisher die Aufgabe der Integration in die deutschen Gesellschaft oder der Verbesserung der Integrationsfähigkeit derselben – wie sie analog von Haycock beschrieben wird – beim Bestandsaufbau in größerem Maße beachtet worden.

Eine gleichsam umgekehrte Aufgabe wird vom selben Autor, und einigen weiteren, Schulbibliotheken zugeschrieben, wenn davon gesprochen wird, dass sie die Ausprägung und Festigung ethnischer Identitäten unterstützen sollten. Dies ist, ebenso wie die Integration, ein in der politischen Auseinandersetzung umkämpftes Feld. Die Vorstellung ist oft, dass eine Minderheit sich erst in eine Gesellschaft integrieren könne, wenn sie sich als Gruppe oder die Einzelpersonen als Vertreterinnen und Vertreter einer Gruppe akzeptiert fühlten. Ansonsten könnten Gruppierungen innerhalb von Minderheiten einen Radikalisierungsprozess durchlaufen, welcher sie vor allem durch ethnische oder religiöse Gemeinsamkeiten als außerhalb der jeweiligen Gesellschaft stehende Gruppe konstituieren könnte. [172] Schulbibliotheken könnten dazu beitragen, dass ethnisch definierte Minoritäten die Geschichte ihrer Gruppe kennen lernen und sich dabei akzeptiert fühlen können. Das könnte, so zumindest die These, dazu beitragen, dass diese Gruppen von der restlichen Gesellschaft in größerem Maße akzeptiert werden. Obwohl sich in Deutschland solche Thesen ebenfalls finden lassen, wird nirgends die Forderung direkt an Schulbibliotheken gestellt, diese Prozesse zu unterstützen. Allerdings mag dieses Problem in anderen Staaten, durch die dortige gesellschaftliche Zusammensetzung, eine andere Relevanz haben, als in Deutschland. Darauf deutet die Arbeit von Bettina Wenzel (2005) hin, welche eine Gymnasialbibliothek im ungarischen Pécs beschreibt, die für die dort ansässigen Roma eine solche Aufgabe übernehmen soll. [173]

Unterteilung: Kapitel 0-1 | Kapitel 2 | Kapitel 3-4 | Anhänge und Literatur

Fußnoten

97 Multidisziplinär hieße, dass unterschiedliche Disziplinen auf Schulbibliotheken zugreifen, ohne sich dabei zu beeinflussen, interdisziplinär würde von einer gegenseitigen Beeinflussung dieser Zugriffe ausgehen. Es ist nicht klar, welche der beiden Varianten die Situation von Schulbibliotheken genauer beschreibt. Vermutlich unterscheidet sich dies bei den einzelnen Einrichtungen. [zurück]

98 Wie dies bei so genannten Freien Schulen der Fall ist. [zurück]

99 Heidtmann (2003). [zurück]

100 Der Inhalt und Umfang von Informationskompetenz ist in der Literatur umstritten. Eine Übersicht und Kritik liefert Ingold (2005). Umlauf (2005), Seite 14, ergänzt zum Beispiel die hier zusammengefasste Aufzählung der wichtigsten in der Diskussion vorkommenden Elemente mit dem Argument, dass ein selbstbewusster Umgang mit Information einen elementaren Beitrag zu einer demokratischen Gesellschaft liefern würde. Insoweit würde Informationskompetenz zusätzlich eine demokratisierende Nutzung von Informationen beinhalten. [zurück]

101 Bahler et al. (1999). [zurück]

102 Bahler et al. (1999), Seite 7. In englischsprachigen Ländern existiert eine Anzahl von Unterrichtsmodellen für die Vermittlung von Informationskompetenzen. Siehe Thomas and Montgomery (1999). Diese werden im deutschen Diskurs nahezu vollkommen ignoriert. [zurück]

103 Ähnlich auch Breddin (2001). [zurück]

104 Vgl. Poloczek und Röhner (2001). [zurück]

105 Für die Zusammenarbeit von Öffentlichen Bibliotheken und Schulen gibt Petsonias (2005) immerhin als Ziel von Medienvergleichenden Schulungen an, dass Schülerinnen und Schüler „die Medienvielfalt nutzen lernen, Medien zielgerichtet einsetzen können, und Arbeitstechniken vertiefen“ (S. 52) sollen. Eine solche – trotzdem sehr unkonkrete – grundlegende Vorstellung fehlt für Schulbibliotheken. Breddin (2001) diskutiert kurz die Möglichkeiten von Neuen Medien. Seine Postulate von der Flexibilisierung des Unterrichts und der Schulbibliotheksarbeit durch diese lassen sich indes nicht empirisch untermauern. Mather (1997) betont für US-amerikanische Schulbibliotheken, dass Lehrende die Möglichkeit von Computernetzwerken nur nutzen und in den Unterricht implementieren können, wenn sie selber mit deren Möglichkeiten vertraut sind. Zuvor sind Rechner in Schulen ihrer Meinung nach nicht sinnvoll. [zurück]

106 PISA-Konsortium (2005), Seite 157-167. [zurück]

107 In den Jahren zwischen dem PISA-Test 2000 und dem Test 2003 wurden alle Schulen in Deutschland mit Computern ausgestattet. Zumindest in Berlin soll sich dies demnächst zusätzlich auf die einzelnen Klassenräume beziehen. Vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (2005). [zurück]

108 Vorauszusehen ist dies, da der gleiche Effekt zum Beispiel vom engen Zusammenhang zwischen den in den Haushalten verfügbaren Büchern und den Lesefähigkeiten von Kindern und Jugendlichen bekannt ist. In der Soziologie finden sich, gerade im Anschluss an Pierre Bourdieus Arbeiten, weitere Beispiele für die Beziehung der Infrastruktur von Elternhäusern zu den Fähigkeiten und gesellschaftlichen Chancen der Kinder. [zurück]

109 Das Portal www.sbbl.ch der Kantonsbibliothek Baselland stellt Schulbibliotheken des Schwitzer Basellandes eine Homepage bereit, die versucht solche Ansprüche zu erfüllen. Andererseits wird diese nicht von den einzelnen Schulbibliotheken, sondern von der Kantonsbibliothek betrieben und enthält somit keine Inhalte der jeweiligen Schulen. Vgl. Füeg (2002), Spies (2002). [zurück]

110 Zudem wurde davon ausgegangen, dass bibliothekarische Standards auch ohne diese bibliothekspädagogische Aufgabe „die Grundlage für eine effektive Arbeitsorganisation [schaffen]“ (Deutsches Bibliotheksinstitut, 1992, Seite 29) würden. Vgl. auch Jordan-Bonin (2003). [zurück]

111 Zudem war es durch die fast schon globale Verbreitung der DDC möglich, eine einheitliche Kurzversion für Kinder und Erstnutzerinnen und -nutzer von Bibliotheken zu schaffen. Diese ist sowohl auf einige Ebenen der Klassifikation beschränkt als auch mittels zehn unterschiedlichen Farben ohne genaue Kenntnis von Buchstaben nutzbar. Vgl. Baird (1994). [zurück]

112 Das heißt, dass jeweils eigene Systematiken für die einzelnen Schulbibliotheken entworfen und ohne Konsistenz- oder andere Prüfungen genutzt werden. Es wäre zu diskutieren, ob diese Form der Aufstellung als Reader Interest Classification, wie sie vor allem in US-amerikanischen bibliothekarischen Diskussionen besprochen wird, bezeichnet werden kann. [zurück]

113 Vgl. Pfennig (2002), Anhang A. [zurück]

114 Vgl. Schaber-Bratenstein (2003). [zurück]

115 Heckmann (1985). [zurück]

116 Wobei dies als sich gegenseitig bedingender Prozess zu verstehen ist. Eine Institution, die in einem eher versteckten oder schwer zu ereichendem Teil eines Gebäudes untergebracht wird, hat meist nicht nur kaum eine wichtige Bedeutung für den alltäglichen Umgang in diesem Gebäude, bzw. der in den jeweiligen Gebäuden untergebrachten Institutionen, sondern wird durch ihre Lage gleichzeitig seltener genutzt, als andere, zentraler gelegene Einrichtungen und verliert somit noch weiter an Bedeutung. Vgl. Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, München (1996). [zurück]

117 Diese Situation wird zwar beklagt, jedoch existieren keine statistischen Daten über die reale Unterbringung der deutschen Schulbibliotheken. Insoweit könnte die Lage auch besser sein, als in einigen Texten angenommen. [zurück]

118 Durch eine Frage des Autors dieser Arbeit kristallisierte sich bei der Diskussion des Beitrags zu Schulbibliotheken in der deutschen Version der wikipedia sowie dem bibliothekarischen Blog log.netbib heraus, dass offensichtlich einige Bibliothekare und Archivare die Meinung vertreten, dass historische Bestände, die sich in deutschen Schulen befänden, dort weiterhin aufzubewahren seien. Eine Begründung für diese Ansicht fand sich nicht, ebensowenig ein Konzept, wie mit diesen Beständen im Rahmen der ehedem schon desolaten deutschen Schulbibliothekslandschaft umzugehen sei, wie sie in die Aufgaben von Schulbibliotheken eingegliedert werden sollten und wie ihre sachgerechte Pflege sichergestellt werden könnte. Außerdem ist diese Ansicht in keinem publizierten Text zu finden. Trotzdem: sollte dieser Anspruch, der eigentlich der Vorstellung von Schulbibliotheken als intensiv genutzten Lehr- und Lernräume entgegensteht, ernstgenommen werden, dann müssten Regelungen gefunden werden, diese Bestände einer historisch interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. [zurück]

119 Gäste müssen sich in deutschen Schulen gemeinhin an das jeweilige Sekretariat wenden und dort anmelden, um das Schulgelände benutzen zu dürfen. Dies allerdings bei jedem Bibliotheksbesuch einer öffentlichen Bibliothek zu verlangen, könnte nicht nur als unverhältnismäßig angesehen werden, sondern würde zusätzlich einen erheblichen Mehraufwand an Arbeit generieren und voraussichtlich potentielle Nutzerinnen und Nutzer von einer Benutzung der Bibliothek abhalten. [zurück]

120 Vorrangig in den Ausgaben der schulbibliothek aktuell. Es besteht allerdings wenig Grund zu der Annahme, dass sich diese Situation seit der Einstellung dieser Zeitschrift grundlegend geändert hätte. [zurück]

121 Vgl. Dahm (2003), Seite 85. Dort finden sich, im Gegensatz zu anderen Texten, erstaunlich genaue Angaben. Andere Publikationen arbeiten zumeist mit Schätzwerten oder Umschreibungen. [zurück]

122 U.a. Deutscher Bibliotheksverband (1987). [zurück]

123 Lange (1998). [zurück]

124 Diese Utopie korrespondiert mit der von Jones and Shoemaker (2001) für US-amerikanische und britische Schulbibliotheken gezeichneten. Dort werden außerdem selbstständig arbeitende Gruppen von Schülerinnen und Schülern imaginiert. Dennoch ist auffällig, das Jones und Shoemaker aus einer ähnlichen Utopie relevant weiter reichende Forderungen an die Ausstattung von Schulbibliotheken ableiten und mehr Möglichkeiten der Schulbibliotheksarbeit thematisieren, als dies in deutschen Publikationen zu konstatieren ist. [zurück]

125 Obwohl wenn desöfteren eine solche unterstützende Infrastruktur gefordert wird, gibt es keine klaren Aussagen, welche Funktionen von welchen Einrichtungen konkret übernommen werden sollen, um diese zu entlasten. [zurück]

126 Vgl. Tabelle 4. [zurück]

127 Vgl. u.a. Papendieck (2001), Breddin (2001), Cron (2003), Neumann (2004). Andererseits werden Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken in bayerischen, thüringischen, baden-württembergischen und einigen anderen Lehrplänen erwähnt. [zurück]

128 Wesson and Keffe (1995), Page 29 nennen als Library Skills: "identifying, classifying, locating, analyzing, synthesizing, [and] evocation information". Für ein Beispiel aus Italien siehe Huebser (2003). Dort wird in jeder Klasse pro Woche eine Bibliotheksstunde erteilt. [zurück]

129 Kinnel (1994), Lonsdale (2003). [zurück]

130 Während die letzten Bibliothekarinnen in den sogenannten Personalüberhang übernommen werden, gilt offiziell, dass der Senat weiter die Betreuung von Schulbibliotheken zumindest in den Oberstufenzentren aufrechterhalten will. Wie dies geschehen soll, ist noch nicht bekannt. Im Rahmen der Recherchen zu dieser Arbeit wurden desöfteren von Bibliothekarinnen, Schulbibliothekspersonal und politischen Akteuren Vermutungen geäußert, dass der Senat plane, die vakant werdenden Stellen als sogenannte 1-Euro-Jobs zu behandeln. Ob dies tatsächlich geschehen wird, vor allem über einen längeren Zeitraum, und wie sich dies auf die Bibliotheken auswirken wird, ist noch nicht klar abzusehen. Es ist zumindest schwierig, sich auf dieser Basis betriebene, kontinuierlich arbeitende Bibliotheken vorzustellen. Zumal die Erfahrungen in den 1990er Jahren in der Berliner Landschaft der Kinder- und Jugendprojekte – der Autor dieser Arbeit war in den Jahren 1995-2000 in diesem Bereich engagiert – , die huptsächlich von ABM-Kräften aufrechterhalten wurden, zeigen, dass diese Lösung trotz starkem Engagement der einzelnen Personen keine Kontinuität und somit keine langfristigen Erfolge erzielen konnte. Heute sind nur noch Restbestände der in der Mitte der 1990er Jahre existierenden Kinder- und Jugendeinrichtungen existent. Es besteht zurzeit kein Grund zu der Annahme, dass mit den wenigen bisher durch den Senat mit Personal bestückten Bibliotheken eine andere Entwicklung eingeschlagen werden könnte. Ausnahmen bilden nur Schulbibliotheken, deren bibliothekarisches Personal als Ergebnis früherer Auseinandersetzungen heute den jeweiligen Schulen und Schulämtern untersteht. [zurück]

131 Vgl. Anhang A. [zurück]

132 Das bedeutet nicht, dass es keine Ansätze engerer Definitionen gäbe. Gerade die Auswertungsbände zu den PISA-Studien behalten sich jeweils ein Kapitel für die Diskussion der Vor- und Nachteile des Konzeptes Literacy vor. Vgl. PISA-Konsortium (2001), PISA-Konsortium (2005). Die Frage ist indes, in welcher Form und Intensität diese Texte für die Konzepte von Schulbibliotheken reflektiert werden. Vgl. außerdem Kaiser (2004), die versucht das Konzept Lesekompetenz für bayerische Schulbibliotheken nutzbar zu machen. [zurück]

133 Zugespitzt formuliert dies Moers (2001, Seite 39) so: „Insgesamt fördert die Arbeit in einer Schulbibliothek, auch Schulmediothek genannt, die Handlungs-, Lese-, Sprach-, Medien-, Recherche-, Sozial-, Methoden-, Schreib-, Selbst-, Sach- und Bewertungskompetenz der Kinder in einer von Wissenschaft und Demokratie geleiteten offenen Gesellschaft in Europa.“ Dieser weit reichenden Aussage, die vom Ansatz her als exemplarisch für die Veröffentlichungen aus dem pädagogischen Bereich angesehen werden kann, stehen keine empirischen Daten oder wissenschaftlichen Ansätze gegenüber, die diese bestätigen könnten. [zurück]

134 Vgl. Tabelle 4. [zurück]

135 Die These ist vorsichtig zu interpretieren. Der Autor ist als Lehrer einer freien Waldorfschule und Mitarbeiter des Instituts für Pädagogik, Sinnes- und Medienökologie an der Waldorfpädagogik orientiert. Diese geht unter anderem von einer engen Verbindung zwischen taktilem Erleben und Lernprozess aus. Insoweit ist die Idee, dass ein Leseraum fast automatisch zum Lesen führen würde, zwar folgerichtig. Der Nachweis dieses Zusammenhanges ist damit, anders als der Autor behauptet, nicht gegeben. [zurück]

136 Moers (2003), Seite 65. [zurück]

137 Eine Eigenart der Texte über Schulbibliotheken, der im Rahmen dieser Arbeit nicht nachgegangen werden kann, scheint die dichotome Gegenüberstellung von Klassenraum und Bibliothek zu sein. Dass sich in den letzten Jahren in Klassenräumen vielfache Veränderungen ergeben haben und diese nicht mehr unbedingt nur als starre Lehrräume im Frontalunterricht genutzt werden und sich zudem in den Schulen andere Angebote finden, als diese beiden, wird so gut wie nicht reflektiert. Dabei steht heute die Schulbibliothek, falls sie existiert, in den meisten Schulen neben einer Anzahl von alternativen Lernräumen. Insoweit beschreibt die Gegenüberstellung von Bibliothek und Klassenraum die Situation in den Schulen nicht mehr adäquat. [zurück]

138 Interview Schule C. [zurück]

139 Interview Schule C. Interview Schule A. [zurück]

140 Pflaum (2005a). [zurück]

141 http://www.statistik.rlp.de/verlag/berichte/B1013_200400_1j_K.pdf, 12.06.2006. [zurück]

142 Eine der wenigen Ausnahmen bot Fleischhauer (1998), deren phänomenologische Beschreibung eines Tages in ihrer Schulbibliothek dagegen – auch wegen fehlender vergleichbarer Beschreibungen – anekdotenhaft wirkt. Hierin unterscheidet sich die deutsche Diskussion signifikant von den Diskussionen in englischsprachigen Ländern. Diese beschäftigen sich mehr mit der Reflektion und theoretischen Durchdringung des Schulbibliotheksalltags. Vielleicht ist dies durch die relativ sichere Position der Schulbibliotheken in diesen Ländern zu erklären, die nicht wie in Deutschland ständig unter Beweis stellen müssen, dass sie eine Funktion haben können. [zurück]

143 Zum Beispiel in der Schule C. Hier findet ein solches Fest einmal im Jahr statt. In der Schule E sind solche Veranstaltungen fest im Abstand von kürzen Zeiträumen geplant. [zurück]

144 Vgl. Paulus (2003). [zurück]

145 Ebenda. [zurück]

146 Interview Schule C. [zurück]

147 Zu Lesepatinnen und Lesepaten in Berlin vgl. auch Legler (2006). [zurück]

148 Vgl. Arbeitsstab Forum Bildung in der Geschäftsstelle der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (2001), Arbeitsstab Forum Bildung in der Geschäftsstelle der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (2002), Bundesministerium für Bildung und Forschung (2003a). Der Regierungswechsel 2005 hat bisher nichts an dieser Situation geändert. [zurück]

149 Vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (2005). [zurück]

150 Diese Konzepte setzten zudem immer bibliothekarisch ausgebildetes Personal voraus, welches die Recherche und Beschaffungsmodalitäten erlernt haben sollte. Das ist heute in deutschen Schulbibliotheken nicht gegeben. Campbell (2005) präsentiert – für die USA – Überlegungen, die Schulbibliotheken durch die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, vorrangig Museen, als Vermittlungsinstitution in andere außerschulische Lehreinrichtungen zu nutzen. Sie empfiehlt beispielsweise kleinere Ausstellungen in Schulbibliotheken, die auf größere Expositionen in Museen hinweisen können. Ähnliche Vorschläge lassen sich in der deutschen Diskussion bisher nicht finden. [zurück]

151 Vgl. u.a. U.S. National Commission on Libraries and Information Science (2006), Haycock (2003), Lornsdale (2003). [zurück]

152 Obwohl auf dieses Thema nicht vertiefend eingegangen werden kann, ist es doch interessant, dass in der Literatur zur sozialen Bibliotheksarbeit in Deutschland von benachteiligten Gruppen ausgegangen wird, während in englischsprachigen Texten Gruppen vor allem anhand ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse wahrgenommen werden. So sprechen Weeson and Keefe (1995) von Special Needs Students und meinen damit sowohl Benachteiligte, als auch solche Schülerinnen und Schüler, die weit über den Unterricht hinausgehende Informationsbedürfnisse haben. Die besondere Behandlung von benachteiligten Personengruppen in Deutschland äußert sich unter anderem in den Sonderschulen, die in dieser Form in anderen Staaten nicht existieren. Es ist klar ersichtlich, dass eine Schulbibliothek, welche sich vorrangig um benachteiligte Nutzerinnen und Nutzer kümmern soll, anders konzipiert und ausgestattet sein muss als eine Einrichtung, welche sich an alle Special Needs Students richtet. [zurück]

153 Vgl. Legler (2006). [zurück]

154 Heritage (2004) diskutiert für North Carolina, wie solche Bestände für Kinder und Jugendliche genannt werden sollen, die zur Leseförderung dienen. Eine Bezeichnung wie „First-Readers“ halten die bei ihr dokumentierten Teacher Librarians für kontraproduktiv, da diese Bestände dann von älteren Kindern nicht mehr benutzt würden, um sich keine Blöße zu geben. Somit würden sie von leseschwachen Kindern nicht genutzt, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben. [zurück]

155 Andere Sprachen sind an dieser Schule bei den Kindern unterrepräsentiert. [zurück]

156 In diesen Beispielen aus North Carolina handelte es sich ausschließlich um englisch/spanische Bücher. [zurück]

157 Polemisch lässt sich anmerken, dass auch die vorausgegangen Bildungsdiskussionen nicht zu solchen Überlegungen geführt haben. [zurück]

158 Interviews Schule A-E. [zurück]

159 Schule A, B und E. [zurück]

160 Dafür wurde in allen besuchten Schulbibliotheken jeweils der normale Ablauf einer „Stoßzeit“ – zumeist die erste große Pause – beobachtet. [zurück]

161 Interview Schule C. [zurück]

162 An der Humboldt-Universität zu Berlin waren im Diplom-Studiengang Sozialwissenschaften zwei Semester für das Erlernen von SPSS vorgesehen. Im neu eingerichteten Bachelorstudiengang Soziologie sind es für ähnliche Programme erneut zwei Semester. [zurück]

163 Darüber hinaus ist es rechtlich fragwürdig. Praktika dürfen keine Arbeitsplätze ersetzen. Wenn sie notwendig sind, um Forschungen für das Marketing durchzuführen, könnte zumindest vermutet werden, dass wegen der Möglichkeit Praktikantinnen und Praktikanten einzusetzen hier ein möglicher Arbeitsplatz nicht besetzt wird. [zurück]

164 Zweitrangig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich die Ergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit für die deutsche Schulbibliothekslandschaft nicht anwenden lassen. Für die USA, oder zumindest North Carolina, lässt sich mit Hubbes Arbeit vermuten, dass kombinierte Schul- und Öffentliche Bibliotheken einen höheren positiven Effekt auf die Lesefähigkeiten der Schülerinnen und Schüler ausüben, als schulinterne Bibliotheken. [zurück]

165 Schule D. Dieses Programm kam nur durch ein Projekt der herstellenden US-amerikanischen Firma in diese Schule und ist seitdem – wegen Geldmangels – nicht mehr upgedatet worden. [zurück]

166 Hierbei ist mit Vorsicht zu interpretieren. Paul und Rabe (2005b) berichteten von analogen Beobachtungen und gleichzeitig über von diesen abweichende Umfrageergebnisse. Laut ihrer Umfrage wird die von ihnen beschrieben Schulbibliothek zumeist für Schularbeiten genutzt. Sie diskutieren diese Differenz zwischen Beobachtungen und Umfrageergebnissen nicht. Durch ihre Konzentration auf marketingrelevante Ergebnisse lassen sie zum Beispiel sozialwissenschaftliche Standardverfahren zur Eliminierung von Gefälligkeits- und Radikalwerten außer Acht. [zurück]

167 Vgl. Kapitel 1.2.2. [zurück]

168 Andererseits kann diese Praxis ebenso durch fehlende finanzielle Mittel bedingt sein. [zurück]

169 Der Diskurs in Deutschland hat sich dahingehend verlagert, die möglichen Leistungssteigerungen der Schülerinnen und Schüler zu betonen. [zurück]

170 Dieses Engagement führte laut Han überhaupt erst zur Entstehung eines Schulbibliothekssystems in Süd-Korea. Vgl. Abidi (1996) für ähnliche Diskussionen in der post-apartheidischen Situation in Süd-Afrika und Namibia sowie in einer Gesellschaft im Wiederaufbau in Uganda. [zurück]

171 Vgl. Kuhlen (2004). [zurück]

172 Dabei ist, wie soziologische und politwissenschaftliche Forschungen zeigen, relativ nebensächlich, ob diese Differenzen wirklich existieren oder erst im Prozess der Gruppenfindung etabliert werden. Ebenso ist – wie das Entstehen christlich-fundamentalistischer und islamistischer Zusammenhänge in unterschiedlichen Staaten zeigt – irrelevant, ob diese Differenzen ebenso anders, zum Beispiel durch eine säkularisierten Religionspraxis, interpretiert und akzeptiert werden können. [zurück]

173 Sie benennt als Anforderungen an diese Bibliothek die Orientierung an den Wünschen der potentiellen Nutzerinnen und Nutzer, die Bereitstellung eines Lern-, Kultur und Freizeitzentrums, eines Ortes der Begegnung sowie den „Zusammenhalt innerhalb der Roma [zu] fördern“ (Wenzel, 2005, Seite 72). Dieser Zusammenhalt solle die Roma auch bei ihrer Integration in die Mehrheitsgesellschaft unterstützen. [zurück]