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Nebenher arbeiten

An der Hochschule zu arbeiten, kann eine Bereicherung des Studiums sein oder einfach nur ein Mittel, die Miete zu verdienen. Welche Umstände unterscheiden den stumpfsinnigen Job von der intellektuellen Herausforderung? Von Karsten Schuldt

Im gesamten Bundesgebiet, außer in Berlin, gilt, dass Menschen, die als studentische Beschäftigte arbeiten, sich das leisten können müssen. Die Bezahlung dieser Stellen ist durchgängig niedrig, kolportiert wird ein Stundenlohn von 3,40 Euro als untere Grenze. Die zugestandene Arbeitszeit reicht zumeist nicht dazu, mit dieser Arbeit einen signifikanten Beitrag zum eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Dennoch wird eine universitäre Anstellung während der Studienzeit oft als Voraussetzung für eine wissenschaftliche Karriere angesehen. Dabei werden studentische Beschäftigte in den verschiedensten Bereichen der Hochschulen eingesetzt: in der Lehre, der Forschung und der Infrastruktur. Oft sind sie notwendig zur Aufrechterhaltung grundlegender universitärer Angebote.

In Berlin existiert seit 1979 ein beständig umkämpfter Tarifvertrag für studentische Beschäftigte. In der aktuellen Fassung ist ein Stundenlohn von 10,98 Euro und eine monatliche Arbeitszeit von mindestens 40 und höchstens 80 Stunden vorgesehen. Eine Annahme ist, dass diese Bezahlung dazu beitragen würde, dass Studierende sich über ihre Arbeit an der Universität finanzieren können. Dies gelingt, wie eine Studie der GEW und ver.di 2007 deutlich machte, leidlich. Die sozialen Strukturen, welche die Berliner Studierendenschaft auszeichnen, finden sich auch bei den studentischen Beschäftigten wieder. Das heißt, es überwiegen immer noch die Studierenden mit größeren ökonomischen Mitteln und aus Elternhäusern mit großem Bildungskapital, dies aber in geringerem Ausmaß, wie im restlichen Bundesgebiet.

Interessanter ist die individuelle Ebene. Wie verstehen studentische Beschäftigte ihre Arbeit? Sind sie mit ihr zufrieden oder fühlen sie sich ausgebeutet? Die Geschichten, die man hören kann, sind widersprüchlich. Für diesen Artikel habe ich mit Beschäftigten aus den Geistes- und Naturwissenschaften geredet sowie mit solchen, die in Bibliotheken und als Systemadmins die Infrastruktur an verschiedenen Berliner Universitäten aufrecht erhalten.

Schlechte und gute Stellen

Grundsätzlich scheint es wenige wirklich gute und interessante studentische Beschäftigungen zu geben, denen zahlreiche schlechte oder einfach auch recht sinnlose Jobs gegenüberstehen. Die absurdesten Jobs scheint es dabei gerade bei den Exzellenzclustern zu geben. Dort wurde Geld für studentische Angestellte bewilligt, dass jetzt ausgegeben werden muss, auch wenn es nicht wirklich etwas zu tun gibt. Zu viele Angestellte, die wegen zu wenig Arbeit mit Nebenaufgaben beschäftigt werden müssen, scheinen hier normal zu sein.

Aber das sind Ausnahmen. Zumeist fühlen sich studentische Beschäftigte überlastet und ohne größere Einführung an Stellen gesetzt, die eine Ausbildung verlangen würden. Vielfach werden Studierenden Aufgaben zugewiesen und sie mit diesen dann allein gelassen. Ihre einzige Möglichkeit scheint ein learning-by-doing zu sein. In größeren Einrichtungen helfen dabei unter Umständen andere Studierende, die den Job schon länger machen. Oft gibt es diese anderen Studierenden allerdings nicht und die neu Angestellten sind auf sich selbst angewiesen. Gerade im Bereich der Infrastruktur scheint dies - auch wenn es hierbei immer wieder Ausnahmen gibt - normal zu sein. Zumal Weiterbildungen für studentische Beschäftigte nicht stattfinden, es sei den, sie setzen sich selber massiv dafür ein.

Es scheint nach meinen Gesprächen, als würden Studierende hauptsächlich dann als Arbeitende ernstgenommen, wenn sie Teil eines kleineren Teams sind. Dies ist gerade dort der Fall, wo sie forschungsnah angestellt sind und an wissenschaftlichen Projekten arbeiten. Dann werden sie oft dazu eingesetzt, die Forschung zu machen, zu denen die Professorinnen und Professoren selber zeitlich nicht kommen. Solche Jobs werden oft von den Studierenden als Einstieg in eine wissenschaftliche Praxis verstanden und als gut bewertet. Während sich Studierende gerade in Bibliotheken oder Rechenzentren häufig als Personal verstehen, dass relativ austauschbar den Betrieb der jeweiligen Einrichtung aufrecht erhält, aber ansonsten lieber keine eigene Initiative zeigen sollte, bezeichnen sich forschungsnah angestellte Studierende oft als Expertinnen und Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet, fühlen sich positiv gefordert und in eine Forschungsgemeinschaft eingebunden.

Die Grenze scheint also zwischen wissenschaftlichen Aufgaben und eher infrastrukturellen Jobs zu verlaufen. Die eine Gruppe, die wissenschaftliche, hat wenig Kontakt zum studentischen Personalrat, oft weil sie keinen Grund dafür sieht. Zumeist haben sie ihre Anstellung aufgrund von Kontakten gefunden und auch, wenn dies nicht vorkommen sollte und es wohl niemand so offen sagen würde, waren die meisten Ausschreibungen für diese Jobs nur formal. Sie wurden so formuliert, dass sich sinnvoll nur eine bestimmte Person bewerben konnte. Dafür sehen diese Angestellten ihre Arbeit als Bereicherung an.

Die andere Gruppe, die infrastrukturelle Aufgaben übernimmt, klagt hingegen zumeist über ihre Arbeit und sucht deshalb auch öfter den Kontakt zum studentischen Personalrat. Dass diese Studierenden gegen die jeweiligen Arbeitsbedingungen dennoch relativ wenig unternehmen, scheint dabei auch daran zu liegen, dass sie ihre Anstellung oft als Übergangsphase begreifen, die nach zwei oder höchstens vier Jahren vorüber ist und gleichzeitig die jeweilige Arbeit hauptsächlich als Möglichkeit begreifen, Geld zu verdienen. Der Anspruch, eine sinnvolle Arbeit zu machen, scheint nicht so groß zu sein, wie bei Festangestellten.

Gerade in dieser Gruppe wird regelmäßig von negativen Stress berichtet, bedingt durch zeitlich Überforderung, permanent wiederkehrende, als sinnlos begriffene Arbeit und den Eindruck, beständig unterqualifiziert eingesetzt zu werden. Hinzu kommt in einigen Fällen, beispielsweise bei Systemadministratoren oder bei Studierenden der Bibliothekswissenschaft in einigen Bibliotheken, ein gefühltes Qualitätsgefälle; also der Eindruck, selber mehr Ahnung von den Aufgaben zu haben, die man erfüllt, als die Menschen, die einen bei diesen Aufgaben anleiten sollen, ohne dass diese zusätzlichen Kompetenzen anerkannt würden. Der Expertinnen- und Expertenstatus, welcher von den Studierenden im Forschungbereich als bereichernd angesehen wird, wird bei infrastrukturellen Aufgaben oft als Belastung erfahren.

Durchstudieren und arbeiten?

Eine Frage, die sich aktuell beständig im Bezug auf studentische Beschäftigte gestellt wird, ist die nach den Auswirkungen der Hochschulreform. In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach studentischen Beschäftigungen enorm gewachsen. Auf Posten, die früher lange unbesetzt waren, weil sich niemand für diese interessierte, bewarben sich nun regelmäßig mehrere Dutzend Studierende. Zum Teil wird dies darauf zurückgeführt, dass diese Stellen nun im Internet ausgeschrieben und damit sichtbarer gemacht werden. Es wird aber auch auf die für Studierende schlechter werdende Arbeitsmarktsituation verwiesen. Doch wird dieser Ansturm anhalten? Schon jetzt zeichnen sich gegenläufige Tendenzen ab. Es ist noch nicht ausgemacht, ob Studierende im sogenannten Vollzeit-Studium die Zeit aufbringen können, welche bislang von Studierenden für das Arbeiten an ihren Hochschulen erwartet wurde. Außerdem müssen offenbar die Zugangsgrenzen für viele forschungsrelevante Jobs neu gefasst werden. Oftmals galt hier, dass Studierende erst nach dem Grundstudium in Labors oder bei größeren Forschungsprojekten angestellt werden können, einfach, weil diese Arbeit eine gewisse Ausbildung voraussetzen. Angesichts dessen, dass der Bachelor als eigenständiges Studium konzipiert und der Master als Studium einer kleineren Auswahl von Studierenden verstanden wird, denen möglichst gute Studienbedingungen geboten werden sollen, stellt sich die Frage, wer die Aufgaben der studentischen Beschäftigen übernehmen soll. Die nicht fertig ausgebildeten Bachelor-Studierenden oder die Master-Studierenden, welche möglichst schnell studieren sollen? Bisher ist die Erfahrung eher, dass eine Anstellung von Studierenden deren Studiendauer verlängert, wenn sie nicht gerade ihre Abschlussarbeiten mit ihrer Arbeit verbinden können.

Diese Frage ist tatsächlich für die Qualität der universitären Dienstleistungen relevant. So sind längere Öffnungszeiten von Bibliotheken und Rechenzentren, Tutorien, die Vorbereitung von Lehrveranstaltungen und die Durchführung von zahlreichen Forschungsprojekten nur durch die Arbeit studentischer Beschäftigter möglich, die für diese Aufgaben auch eingeplant sind. Spätestens, wenn sich für diese Stellen irgendwann keine Studierenden mehr finden, werden die Hochschulen vor dem Problem stehen, diese Angebote anders aufrecht erhalten zu müssen.

Finanzierungslücke

Leben kann übrigens kaum jemand von den studentischen Jobs. In vielen Bereichen ist es nicht möglich, mehr als 40 Stunden zu arbeiten, was einen Lohn von 439,20 Euro bedeutet. Durchschnittlich haben deutsche Studierende allerdings laut Studentenwerk 770 Euro zur Verfügung und diesen Betrag auch nötig. Insoweit haben fast alle Beschäftigten andere Einkommensquellen, sei es das Bafög, weitere Jobs, die Eltern oder das Kindergeld. Der Zwang, weitere Geldquellen auftun zu müssen, um das Studium materiell durchzustehen, wird durch eine Anstellung an der Hochschule natürlich verringert. Und unter Umständen machen Studierende diese Arbeit sogar gern.

Weiterführendes

Die meisten Stellenausschreibungen für studentische Beschäftige finden sich auf Aushängen in den einzelnen Instituten und Einrichtungen.

Personalrat der studentischen Beschäftigten HU: http://www2.hu-berlin.de/studpr

Personalabteilung der HU mit einigen Stellenausschreibungen für studentische Beschäftigte: http://www.personalabteilung.hu-berlin.de/

Bundesweite Tarifinitiative: http://www.tarifini.de/

GEW / Ada-Charlotte Regelmann (2005) "Man muss es sich leisten können..." . Eine empirische Studie zu studentischen Hilfskräften an der Philipps-Universität Marburg im Dezember 2004 , Frankfurt a.M.

GEW-Berlin / ver.di-Berlin Brandenburg (2007) Die Situation studentischer Beschäftigter an Berliner Hochschulen. Ergebnisse einer Umfrage im Jahr 2006, Berlin

Quelle: HUch - Zeitung der studentischen Selbstverwaltung der Humboldt-Universität zu Berlin, Nr. 54, Juni 2008, S.8-9